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Experte: Fortschritte und Herausforderungen im Dialog mit den orientalischen Kirchen

Salzburger PRO ORIENTE-Vorsitzender Prof. Winkler erläutert aktuellen Stand im offiziellen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und den Orientalisch-orthodoxen Kirchen

POI 230515

Rom/Salzburg/Kairo, 15.05.23 (poi) Der koptisch-orthodoxe Papst-Patriarch Tawadros II. hat vergangene Woche Papst Franziskus besucht. Die zwei Begegnungen im Vatikan waren geprägt von großer ökumenischer Offenheit und gegenseitiger Sympathie der beiden Kirchenoberhäupter. Die beiden Päpste bestärkten sich gegenseitig im ökumenischen Dialog. Seit knapp 20 Jahren gibt es bereits einen offiziellen Dialog der katholischen und orientalisch-orthodoxen Kirchen, zu denen die Koptisch-orthodoxe Kirche gehört. Mitglied der internationalen Dialogkommission ist auch der Vorsitzende der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion, der gegenüber dem PRO ORIENTE-Informationsdienst die wichtigsten Etappen, Erfolge und bisherigen sowie künftigen Herausforderungen zusammenfasste.

19 Treffen fanden bisher statt, so Prof. Winkler. Noch vor dem Beginn des offiziellen Dialogs sei bereits ein Arbeitsplan erstellt worden, der die kontroversen Themen benannte. Vieles davon habe man mit den bisherigen drei Dokumenten zur Ekklesiologie, zur Kircheneinheit in den ersten fünf Jahrhunderten vor der Trennung und zu den Sakramenten bereits abarbeiten können, so Winkler.

Als neues Thema sei nun seit dem vergangenen Jahr die Mutter Gottes in den Mittelpunkt gerückt worden. Der offizielle Arbeitstitel: "Aspekte der Mariologie: Die Heilige Jungfrau Maria in der Lehre und im Leben der Kirche". Dabei müsse man über die volkstümliche, "mitunter sehr einfach gestrickte Marienfrömmigkeit in allen beteiligten Kirchen, die mitunter nahezu die Konstruktion einer Muttergotttheit darstellt", hinausdenken, betonte Winkler.

Es kämen eine ganze Reihe an komplexen theologischen Fragen zusammen, "denn Mariologie und die damit verbundenen theologischen Themen wie ihre Auserwähltheit, Jungfräulichkeit, unbefleckte Empfängnis etc., sind nicht Selbstzweck, um eine spätantike jüdische Frau zu überhöhen, sondern haben ausschließlich christologischen Charakter und deuten auf die Menschwerdung Gottes hin". Hinzu komme, dass die zwei allein in der katholischen Kirche verkündeten Marien-Dogmen des 19. und 20. Jahrhunderts auch ekklesiologisch schwierig seien, "da hier ebenso der universale Jurisdiktionsprimat, Unfehlbarkeit und Autorität des Papstes zum Thema werden".

Die Kommission arbeitet laut Prof. Winkler in sehr guter persönlicher Atmosphäre "und ist tatsächlich recht ergiebig und produktiv, zumal es sich zum Teil nicht nur um höchst komplexe theologische Fragen handelt, sondern auch um sehr unterschiedliche Traditionen, vom Kaukasus bis Äthiopien und von Ägypten über den Syro-Aramäischen Raum bis nach Indien".

Freilich müsse man anmerken: "Wenn die Kommission zu einem Konsens kommt und dies in einem Dokument festhält, ist dies zunächst einmal ein Dokument und Ergebnis der Kommission." Dieses müsse sodann den jeweiligen Synoden der orientalisch-orthodoxen Kirchen zur Approbation vorgelegt werden. In der Katholischen Kirche gehe dies über das Dikasterium für die Glaubenslehre, so Winkler: "Sowohl in den Synoden als auch bei uns im genannten Dikasterium werden dann wieder Menschen mit den Ergebnissen konfrontiert, die nicht im Dialogprozess inkludiert waren." Dies erfordere einen überzeugenden Rezeptionsprozess, die Ergebnisse der Dialogkommission müssten entsprechend kommuniziert werden. Hier hätten alle Kirchen aber ein großes Defizit und "höchsten Nachholbedarf", räumte Winkler ein, "da kann die Dialogkommission noch so erfolgreich sein und noch so gut arbeiten".

Die 2003 gegründete Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und den Orientalisch-orthodoxen Kirchen umfasst Vertreter der Katholischen Kirche, der Koptisch-orthodoxen Kirche, der Syrisch-orthodoxen Kirche, der Armenisch-apostolischen Kirche, der Äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche und der Malankara-orthodoxen Syrischen Kirche. Die Kommission hat drei Dokumente veröffentlicht, das erste im Jahr 2009 über "Wesen, Ordnung und Sendung der Kirche"; das zweite im Jahr 2015 über "Die Ausübung der Gemeinschaft im Leben der frühen Kirche und ihre Auswirkungen auf unsere Suche nach Gemeinschaft heute", das dritte schließlich 2023 über "Die Sakramente im Leben der Kirche".

Tawadros würdigt PRO ORIENTE

Die jüngste 19. Tagung der Kommission fand vom 31. Jänner bis 4. Februar im Kloster Anba Bishoy in Ägypten statt, Gastgeber war die Koptisch-orthodoxe Kirche. Zum ersten Mal seit 2009 war auch die Eritreisch-orthodoxe Tewahdo-Kirche wieder vertreten. Für die Teilnehmenden gab es einen Empfang durch Papst-Patriarch Tawadros, bei dem er u.a. die ökumenischen Verdienste der Stiftung PRO ORIENTE würdigte, wie Prof. Winkler berichtete. Die theologischen Dialoge seien notwendige wie auch wichtige Schritte auf dem Weg zur Kircheneinheit, betonte der Patriarch. Es brauche aufrichtige Diskussionen, gegenseitige Wertschätzung und das gemeinsame Gebet.

Das nächste Treffen der Kommission ist vom 22. bis 26. Jänner 2024 in Rom anberaumt.