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Fallbeispiel Albanien: Auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Versöhnung

Neuer Beitrag im PRO ORIENTE-Blog "Healing of Wounded Memories" - Theologin Murzaku über die Rolle der Religionen bei der Aufarbeitung der kommunistischen Ära und welche Bedeutung Mutter Teresa dabei zukommt

POI 240214

Wien, 14.02.24 (poi) Albanien und die Frage nach der Rolle der Religionsgemeinschaften für einen ganzheitlichen Versöhnungsprozess stehen im Fokus des aktuellen Beitrags im PRO ORIENTE-Blog "Healing of Wounded Memories". Die aus Albanien stammende und in den USA lehrende Theologin Ines Angeli Murzaku weist darauf hin, dass alle religiösen Gruppen in Albanien während der kommunistischen Ära schweren Verfolgungen ausgesetzt waren. Die Situation in Albanien unterstreiche zugleich die Bedeutung einer ganzheitlichen Versöhnung, wobei religiöse Führer eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielten. Die prominenteste Rolle misst die Theologin im Versöhnungsprozess dabei Mutter Teresa zu, die 1989 - noch zu Zeiten des Kommunismus - ihr Heimatland besuchte.

Trotz der Überwachung durch die albanische Geheimpolizei habe ihr Besuch, zu dem auch Treffen mit hochrangigen Regierungsvertretern und eine umstrittene Ehrung am Grab des Diktators Enver Hoxha gehörten, den Beginn einer ganzheitlichen nationalen Versöhnung bewirkt. Nexhmije Hoxha, die Ehefrau des albanischen Diktators, sagte im Anschluss an den Besuch, dass Mutter Teresa keine Feindseligkeit gezeigt habe. Hoxha hob anerkennend ihr vergebendes Wesen hervor.

Murzaku: "Mutter Teresas Handeln wurde als Modell für die Heilung und die Überbrückung der Kluft zwischen Verfolgten und Verfolgern angesehen und unterstrich die Bedeutung der Vergebung für die Versöhnung."

Die Voraussetzungen dafür seien nicht einfach gewesen. Die Bemühungen, die Verbrechen der Diktatur aufzuarbeiten, waren begrenzt. 1995 wurden Gesetze verabschiedet, die den Zugang zu geheimen Akten regeln, aber keine nennenswerten politischen Veränderungen bewirkten.

Murzaku: "Die Religionsgemeinschaften Albaniens, die unter schwerer Verfolgung litten, haben nun die Möglichkeit, zu einer ganzheitlichen interreligiösen Bewegung beizutragen, die sich auf Versöhnung konzentriert." Diese Bemühungen stünden im Einklang mit dem theologischen Konzept der Erlösung, "in dem Gerechtigkeit als in der Liebe verwurzelt angesehen wird", wie schon Papst Johannes Paul II. betonte.

In diesem Zusammenhang stehe Vergebung nicht im Gegensatz zu Gerechtigkeit, sondern sei ihre Erfüllung, die für Heilung unerlässlich ist, so Murzaku. In Konflikten, in denen sich jede Partei als Opfer sieht, könne das Streben nach Gerechtigkeit zu neuen Ungerechtigkeiten führen. Die vorrangige Verpflichtung bestehe deshalb darin, sich gegenseitig anzunehmen und zu vergeben, "was die bedingungslose Liebe Gottes widerspiegelt". Und: "Vergebung lädt die Übeltäter zur Selbsterkenntnis und Reue ein und erleichtert allen Beteiligten die Heilung."

Mutter Teresas Besuch in Albanien sei ein Beispiel für diesen theologischen Ansatz, der sich auf die Heilung persönlicher Traumata und die Versöhnung über soziale, politische, ethnische und religiöse Gräben hinweg konzentriere. Dieser Ansatz betone die Verwobenheit menschlicher Beziehungen und die Notwendigkeit einer harmonischen Versöhnung mit dem Schöpfer, wie sie sowohl in der orthodoxen als auch in der katholischen Tradition zu finden sei.

"Healing of Wounded Memories"

In dem Blog "Healing of Wounded Memories" (Verletzte Erinnerung heilen) werden über einen mehrmonatigen Zeitraum die Beiträge zur ersten internationalen Konferenz im Rahmen des gleichnamigen PRO ORIENTE-Projekts veröffentlicht, die vom 9. bis 11. November 2023 in Wien stattfand. Rund 50 Teilnehmende aus Europa, den USA und dem Nahen Osten hatten dabei Aspekte einer Theologie der Versöhnung reflektiert, zugleich aber auch konkrete geopolitische Konfliktfelder in der Ukraine, in Südosteuropa und im Nahen Osten in den Blick genommen.

2024 und 2025 werden regionale Workshops in besagten Regionen stattfinden. Die Ergebnisse dieser Workshops sollen anschließend in einer großen Abschlusskonferenz in Wien zusammengeführt werden. Für die Veröffentlichung der Projektbeiträge wurde statt einer Publikation in Buchform bewusst die Form eines Online-Blogs gewählt, um die Texte einer größeren Zielgruppe zugänglich zu machen. In dem Blog, der den gesamten Prozess begleitet, kommen Expertinnen und Experten verschiedenster Kirchen und Regionen zu Wort.

Zum Blog: https://www.pro-oriente.at/blog/healing-of-wounded-memories