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Indischer Ökumene-Pionier Mar Joseph Powathil verstorben

Emeritierter Erzbischof der Syro-malabarischen Kirche mit 92 Jahren verstorben - Stiftung PRO ORIENTE trauert um jahrzehntelangen Partner und Freund

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New Delhi/Wien, 20.03.23 (poi) Die Stiftung PRO ORIENTE trauert um Mar Joseph Powathil, der am Samstag in seiner Heimat Changanacherry (Indien) im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Der Erzbischof der Syro-malabarischen Kirche war einer der herausragenden Kirchenmänner seiner Zeit, dem besonders auch am ökumenischen und interreligiösen Dialog gelegen war. Mar Joseph war beispielsweise von Anfang an (1994) ein Teilnehmer des Syriac Dialogue von PRO ORIENTE und blieb bis zu seinem Tod ein Mitglied des "Forum Syriacum", auch wenn er in den letzten Jahren altersbedingt nicht mehr an den Treffen und Konferenzen teilnehmen konnte. Schon 1993 wurde er bei PRO ORIENTE zum Ehrenmitglied ernannt.

PRO ORIENTE Präsident Alfons M. Kloss und der Vorsitzende des "Forum Syriacum", Prof. Dietmar W. Winkler, haben sich in einem Kondolenzschreiben tief betroffen vom Tod des Erzbischofs gezeigt. Erzbischof Joseph sei nicht nur ein hochgeschätzter Partner im ökumenischen Dialog gewesen, sondern darüber hinaus ein guter und lieber Freund, "voller Weisheit, Güte und Würde". Mit seiner umfassenden Bildung, seinen vielen Veröffentlichungen, seiner ökumenischen Offenheit bei gleichzeitiger tiefer Verwurzelung in der Tradition der Syro-malabarischen-Kirche sei der Verstorbene im praktischen, im intellektuellen und im spirituellen Sinne "ein Pionier und ein Vater" für all jene bei PRO ORIENTE und darüber hinaus gewesen, die sich im Dialog der Kirchen der syrischen Tradition engagiert haben und dies auch weiterhin tun.

Bereits im Jahr 2020 wurde der vierte Band aus der Reihe der "PRO ORIENTE-Studien in Syrischer Tradition" mit dem Titel "Auf dem Weg zu einer Kultur des Zusammenlebens in pluralistischen Gesellschaften" dem besonderen Andenken an Mar Joseph Powathil anlässlich seines 90. Geburtstags gewidmet, weil dieser Titel "besonders zu dem passt, was Mar Joseph Powathil verkörperte", so Prof. Winkler, der den Band herausgegeben hat.

In seinem Vorwort beschrieb Prof. Winkler drei Ebenen des Zusammenlebens und des Dialogs in pluralistischen Gesellschaften: die praktische Ebene des Zusammenlebens ("Dialog des Lebens"), die kognitive Ebene ("Dialog der Wahrheit") und die Erfahrung der Tiefe der spirituellen Dimension des Anderen. "PRO ORIENTE hat Erzbischof Mar Joseph Powathil als einen Menschen erlebt, der alle drei Dimensionen des Dialogs eingebracht hat", so Prof. Winkler in seinem Vorwort.

Joseph Powathil (1930-2023)

Joseph Powathil wurde am 14. August 1930 in Kurumbanadon im damaligen Fürstentum Travancore geboren. Er studierte in Changanacherry und Poona und wurde 1962 zum Priester geweiht, Papst Paul VI. ernannte ihn 1972 zum Auxiliarbischof in Changanacherry und zum Titularbischof von Caesarea Philippi. Der Papst erteilte ihm am 13. Februar 1972 persönlich die Bischofsweihe.

Am 26. Februar 1977 wurde Mar Joseph Powathil zum Bischof der südindischen syro-malabarischen Diözese Kanjirapally ernannt. Papst Johannes Paul II. erhob ihn am 5. November 1985 zum Erzbischof von Changanacherry. Am 22. Jänner 2007 nahm Benedikt XVI. seinen altersbedingten Rücktritt an. In die Amtszeit von Powathil als Bischof von Kanjirapally fiel auch die Begründung einer Diözesanpartnerschaft mit der Diözese Eisenstadt. 1981 setzten Powathil und Bischof Stephan Laszlo diesen Schritt.

Mar Joseph Powathil gilt als einer der besten Kenner der ursprünglichen ostsyrischen Liturgie im Süden Indiens. Als Bischof setzte er sich, allen Latinisierungstendenzen zum Trotz, unermüdlich für die Wiedergewinnung der unverfälschten ostsyrischen Tradition in der syro-malabarischen Kirche ein. Zugleich war ihm die Anerkennung der legitimen Rechte und der Identität der syro-malabarischen Kirche als einer eigenständigen katholischen Ostkirche ein besonderes Anliegen.

Ebenso engagierte er sich intensiv sowohl im ökumenischen als auch im interreligiösen Dialog. Von 1994 bis 1998 fungierte Mar Joseph Powathil als Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz von Indien (CBCI), in der die Bischöfe aller drei in Indien präsenten Riten – lateinischer Ritus, syro-malabarischer Ritus, syro-malankarischer Ritus – vertreten sind.

Die besondere Sorge Mar Josephs galt als Bischof den ausgegrenzten und an den Rand gedrängten Menschen, zum Beispiel den geistig oder körperlich behinderten Kindern, für die er Spezialschulen errichtete. Er förderte in seiner Eparchie intensiv auch die Hospizbewegung. Vor allem aber war der Bischof, schon in Kanjirapally, Vorkämpfer eines integralen Entwicklungsmodells, das auch den Benachteiligten – zum Beispiel den "Dalit" – entsprechende Lebenschancen einräumt. Mar Joseph Powathil war aber nicht nur im Sozialapostolat engagiert, er war auch ein Vorkämpfer der kulturellen und literarischen Erneuerung in Kerala.

In der Auseinandersetzung mit der von der Kommunistischen Partei dominierten Innenpolitik des indischen Bundesstaates Kerala setzte sich der Bischof unermüdlich für die Rechte aller Christinnen und Christen ein, die in Kerala insgesamt rund 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Dabei ging es vor allem um die Verteidigung des Schulsystems der christlichen Kirchen.