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Internationale katholische Ostkirchentagung in Wien

250-Jahr-Jubiläum des griechisch-katholischen Priesterseminars "Barbareum" war Ausgangspunkt für Überlegungen zu zukunftsfitter Priesterausbildung und verstärkter Zusammenarbeit der griechisch-katholischen Kirchen in Europa und weltweit

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Eine internationale Tagung brachte von 20. bis 22. Mai die Rektoren der griechisch-katholischen Priesterseminare aus ganz Europa sowie zahlreiche Bischöfe in Wien zusammen, die über die Priesterausbildung und die Rolle der katholischen Ostkirchen bei der Verkündigung des Evangeliums und der Förderung von Einheit, Frieden und Stabilität in Europa berieten. Spiritueller Höhepunkt der dreitägigen Konferenz war am Mittwoch, 21. Mai, ein Gottesdienst im byzantinischen Ritus im Wiener Stephansdom.

Das Bemühen um die gemeinsame Identität der griechisch-katholischen Kirchen in Europa und eine den modernen europäischen Herausforderungen entsprechende Priesterausbildung sprach auch Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa in seinen Eröffnungsworten an. Er eröffnete in Vertretung des erkrankten Kardinals Christoph Schönborn die Tagung. Die Tagung fand anlässlich des 250-Jahr-Jubiläums des Wiener griechisch-katholischen Priesterseminars "Barbareum" statt.

Generalvikar Kolasa sprach vom Vermächtnis des "Barbareums", nämlich der "Einheit in der Vielfalt" über verschiedene kirchliche Traditionen und Kulturen hinweg. Das "Barbareum" sei eine wahre Oase der gemeinsamen Ausbildung, des Gebets und der Brüderlichkeit gewesen, die junge Männer aus verschiedenen Regionen, Sprachen und Traditionen zusammenbrachte. Das 250-Jahr-Jubiläum erinnere an die zentrale Rolle des Seminars bei der Ausbildung von Führungskräften, die zum geistigen und kulturellen Fundament eines vereinten Europas beigetragen haben.

Auch heute müsse man sicherstellen, "dass künftige Geistliche gut vorbereitet sind, um die pastoralen, geistlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der heutigen Welt zu bewältigen", so Kolasa.

Der Generalvikar erinnerte an die Predigt von Papst Leo XIV. bei seiner Amtseinführung, als er von einer geeinten Kirche als "Sauerteig für eine versöhnte Welt" sprach. In Anlehnung an den päpstlichen Aufruf wollten sich die griechisch-katholischen Kirchen bemühen, "ein Sauerteig der Einheit und der Gemeinschaft in allen unseren Kirchen zu sein, indem wir den Reichtum unserer Unterschiede annehmen und gleichzeitig in einem gemeinsamen Ziel und in Liebe miteinander unterwegs sind", so Kolasa.

Tagungsauftakt mit Vesper

Gastgeber der Tagung war Kardinal Christoph Schönborn in seiner Funktion als Ordinarius für die Katholischen Ostkirchen in Österreich. Am Dienstagabend (20. Mai) nahm der Kardinal noch an einer Vesper in der griechisch-katholischen Kirche St. Barbara zum Auftakt der Tagung teil.

Die griechisch-katholische Kirche ist in Wien seit 1775 präsent. Nachdem Galizien 1772 von den Österreichern besetzt worden war, sah sich die Habsburgermonarchie mit einem Mal mit der Präsenz von drei Millionen unierten Katholiken des byzantinischen Ritus konfrontiert. Das veranlasste Maria Theresia 1775, Kirche und Kloster von St. Barbara in der Wiener Postgasse der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde zu übertragen. Damit verbunden wurde auch das Priesterseminar "Barbareum" gegründet.

Das "Barbareum" entwickelte sich sehr schnell zu einem Zentrum des theologischen und intellektuellen Austausches. Die griechisch-katholischen Seminaristen studierten Philosophie, Theologie, liturgische Praxis und Sprachen, darunter Latein, Griechisch und Altkirchenslawisch. Es wurde großer Wert darauf gelegt, eine starke griechisch-katholische Identität zu fördern und gleichzeitig in Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche zu stehen. Die Studenten besuchten deshalb auch Vorlesungen an den Wiener Universitäten, und das Seminar unterhielt enge Beziehungen zu römisch-katholischen Institutionen.

Trotz dieser rasanten positiven Entwicklung hatte das "Barbareum" nur eine kurze Lebensdauer: 1784 löste Joseph II. das Priesterseminar auf, und die Ausbildung des griechisch-katholischen Klerus wurde von Wien in die neuen unierten Generalseminare von Lemberg und Eger verlegt. Gleichzeitig errichtete der Kaiser für die Galizier die griechisch-katholische Zentralpfarre St. Barbara.

Zentrale Bedeutung Wiens

Die Bedeutung Wiens in der Zeit der Habsburgermonarchie als Zentrum einer zukunftsorientierten modernen Priesterausbildung war eines der zentralen Themen des ersten Tagungstages. Der Wiener Ostkirchenexperte Prof. Thomas Németh unterstrich gleich in seinem Eröffnungsvortrag die Bedeutung des Standortes Wien für die Ausbildung von Angehörigen katholischer Ostkirchen zwischen 1775 und 1918. In diesem Zeitraum hätten rund 1.200 angehende griechisch-katholische Kleriker an der Universität Wien bzw. an vier Ausbildungseinrichtungen studiert: dem "Barbareum", dem Stadtkonvikt, dem griechisch-katholischen Zentralseminar und dem "Frintaneum" (Priesterkolleg St. Augustin).

Németh hob hervor, dass die Wiener Ausbildung nicht nur theologische Inhalte vermittelte, sondern auch die nationale Identität der griechisch-katholischen Gläubigen stärkte und wichtige Verbindungen zwischen Wien und den Herkunftsregionen knüpfte.

Robert Rapljenovic, Priester der kroatischen Eparchie Krizevci, betonte, dass das Theologiestudium in Wien damals als das modernste Theologiestudium überhaupt galt; mit einer deutlich pastoralen Ausrichtung, was eine Abkehr von rein theoretischer Bildung darstellte. Gerade dieser Aspekt machte es auch für die griechisch-katholischen Bischöfe so attraktiv, ihre Seminaristen nach Wien zu senden.

Staat mischt sich in Priesterausbildung ein

Eldina Lovas vom Kroatischen Historischen Institut in Zagreb erläuterte in ihrem Vortrag die Reform der Priesterausbildung und die Kirchenpolitik Maria Theresias im 18. Jahrhundert, die maßgeblich die Griechisch-katholischen Kirchen in der Habsburgermonarchie prägte. Der Staat sei bemüht gewesen, aktiv in die kirchliche Bildung einzugreifen, um Priester hervorzubringen, die nicht nur geistliche, sondern auch soziale und politische Funktionen im Sinne des Staates erfüllen konnten. Das Theologiestudium, einst Domäne der kirchlichen Autoritäten, sei damit unter staatliche Aufsicht geraten, was sich in der Festlegung von Studienzeiten, der Anpassung von Lehrplänen und der Einführung neuer Kurse wie der Pastoraltheologie zeigte.

Stimme der Ostkirchen in der Weltkirche stärken

Die historische Bedeutung des "Barbareums" als erster großer Schritt zur Verständigung der verschiedenen katholischen byzantinischen Kirchen innerhalb der Habsburgermonarchie fand beim Symposion in Wien auch in den Beiträgen der Kirchenoberhäupter Widerhall. Metropolit Fülöp Kocsis, Oberhaupt der griechisch-katholischen Kirche Ungarns, verwies auf das Schlussdokument der vatikanischen Bischofssynode über die Synodalität aus dem Jahr 2024. Er äußerte den Wunsch nach weiteren Schritten einer gemeinsamen Repräsentanz, etwa in einem Rat der Ersthierarchen der unabhängigen katholischen Ostkirchen, um die Präsenz und Stimme der Ostkirchen in der Weltkirche zu stärken.

Der rumänische Bischof Virgil Bercea von Oradea Mare schloss sich dem an und forderte ein deutlicheres gemeinsames Auftreten sowie die Überwindung der nach wie vor national geprägten Mentalität der einzelnen Kirchen zugunsten einer stärker profilierten gemeinsamen griechisch-katholischen Identität. Darüber hinaus sprach Bischof Bercea das Thema einer dringenden Liturgiereform an, die seiner Ansicht nach nur auf synodaler Ebene angegangen werden kann.

Einheit der katholischen Ostkirchen stärken

Aufrufe für eine stärkere Zusammenarbeit der katholischen Ostkirchen insbesondere in Europa prägten auch auch den Donnerstag, 22. Mai. "Wir müssen die nationalen Grenzen überwinden, und wir können unsere kirchliche Identität nicht nur an der nationalen Struktur festmachen", sagte der kroatische Bischof Milan Stipic bei einem Podiumsgespräch u.a. mit dem Eparchen von Kosice und früheren Sekretär der Ostkirchenbehörde im Vatikan, Erzbischof Cyril Vasil, und dem in den USA wirkenden Bischof Bohdan Danylo am Freitag im Erzbischöflichen Palais. Die jeweilige Tradition, eigene Sprache und eigene Nationalität müsse unbedingt bewahrt werden, "aber wir müssen zusammen sein und uns als Brüder und Schwestern fühlen", rief Stipic auf.

Die wachsenden katholischen Kirchen müssten auf ihren gemeinsamen Weg und ein organisches Wachstum achten, sagte auch der aus Polen gebürtige Bischof Danylo aus der Eparchie Saint Josaphat der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Parma im US-Bundesstaat Ohio. Es gelte zusammenzuarbeiten, aber auch die eigenen Traditionen zu pflegen. "Denn wenn wir nicht mehr wissen, wer wir sind, weiß ich nicht, wie die Zukunft aussehen wird."

Der slowakische Erzbischof Vasil verwies in seinem Schluss-Statement bei der aktuellen Tagung in Wien auf die sehr unterschiedlichen historischen Hintergründe und Mentalitäten und die - abgesehen von der gemeinsamen Liturgie und der byzantinischen Tradition - sehr unterschiedlichen pastoralen Ansätze in verschiedenen Weltregionen. Auch aus der Erfahrung seiner Zeit an der Kurie und Rektor des Päpstlichen Orientalischen Institutes in Rom heraus könne er bestätigen, dass die Herangehensweise an die Getauften und die Hierarchie bei den Ostkirchen im Nahen Osten, wo die Gläubigen in direktem Kontakt mit der muslimischen Welt leben, völlig anders sei als in Rumänien oder der Ukraine mit der kommunistischen Vergangenheit. "Das ist ein kultureller Unterschied und dieser Unterschied hat immer noch Gewicht."

"Keine Inseln", sondern zentraler Teil der Kirche

Vor dem abschließenden Podium hatte Vasil in einem längeren Vortrag über Fokuspunkte einer gemeinsamen Identität der griechisch-katholischen Kirchen gesprochen, die "keine Inseln", sondern klar Teil der katholischen Kirche seien und ihre Geschichte und Schicksal teilten, wie der Erzbischof hervorhob. Als Stärken nannte er etwa die verbreitete Volksreligiosität, die relativ hohe Beteiligung der griechisch-katholischen Gläubigen an den liturgischen Feiern und die zahlreichen Priesterberufungen.

Er gehe davon aus, dass die griechisch-katholischen Kirchen in dem Maße, in dem sie sich allmählich etablieren, immer mehr als gleichberechtigte Partner angesehen werden. Der Stärkung der griechisch-katholischen Kirchen Mittel- und Osteuropas komme dabei heute besondere Bedeutung zu - "auch angesichts der Tatsache, dass die katholischen Kirchen im Nahen Osten in den letzten Jahrzehnten aufgrund der anhaltenden Migration infolge der politischen Instabilität in der Region rapide geschrumpft sind", sagte Vasil.

Vielfalt des liturgischen Lebens ermöglichen

Auch auf Risiken in der Entwicklung der griechisch-katholischen Kirchen ging der slowakische Erzbischof ein. So müsse die Konzentration auf die Liturgie von einer angemessenen Katechese begleitet werden. Gleichzeitig dürfe keine bloße "Monastisierung" des liturgischen Lebens in Pfarren stattfinden. "Es geht darum, geeignete Ausdrucksformen zu finden, die dem byzantinischen Ritus entsprechen und eine noch größere Vielfalt des liturgischen Lebens ermöglichen." Unter mehreren Punkten nannte Vasil die Notwendigkeit der Offenheit für die Bedürfnisse der katholischen Weltkirche und einer Sensibilität für gesamtkirchliche Ereignisse.

Ausdrücklich plädierte Vasil zudem für eine qualitativ hochwertige berufliche und geistliche Ausbildung. Diese solle "die Kenntnis der grundlegenden theologischen und liturgischen Regeln fördern und so die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eventuelle neue Formen das Ergebnis einer organischen Entwicklung sind und gleichzeitig den Anforderungen der Ökumene entsprechen".

Der Erzbischof rief zudem dazu auf, die besten griechisch-katholischen Studenten nach Rom zu schicken, wo sie mit internationaler Erfahrung ausgebildet würden. "Rom ist ein besonderer Ort, einzigartig in der Welt, an dem wirklich jede Tradition präsent ist, jede theologische Strömung verfolgt werden kann", sagte Vasil. Anders als in früheren Jahrhunderten würden Angehörige orientalischer Kirchen dort auch nicht mehr lateinisiert. In Rom seien die wichtigsten Reformen für die orientalischen Kirchen durchgeführt worden - Liturgiereform, kanonische Reform, ekklesiologische Reform. "Es ist der Ort, an dem die Orientalen orientalischer wurden."

Internationale Tagung im September

In Wien wird im September eine weitere internationale Tagung der katholischen Ostkirchen stattfinden. Kardinal Schönborn lädt von 8. bis 11. September zum jährlichen Treffen der katholischen Bischöfe Osteuropas. Die Konferenz steht unter der Schirmherrschaft des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Die großteils griechisch-katholischen Bischöfe der verschiedenen katholischen Ostkirchen beraten dabei aktuelle pastorale, theologische und gesellschaftspolitische Fragen. Laut Generalvikar Kolasa werden mehr als 100 Bischöfe der katholischen Ostkirchen in Europa in Wien erwartet.