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Naher Osten: Initiative für Erneuerung von Kirche und Gesellschaft nun online

Neue begleitende Website wechooseabundantlife.com zum ökumenischen Dokument "Wir wählen ein Leben in Fülle" – Plädoyer für kirchliche Erneuerung, mehr Synodalität und mehr Rechtsstaatlichkeit

POI 220207

Im vergangenen Herbst ist ein sowohl regional als auch international viel beachtetes Dokument, das zu einer umfassenden Erneuerung des kirchlichen Lebens im Nahen Osten aufruft, veröffentlicht worden. Unter dem Titel "Wir wählen ein Leben in Fülle" hat ein Team von Theologinnen und Theologen und weiteren Fachleuten einen Text erarbeitet, der sich mit dem Leben und Zeugnis von Christinnen und Christen in den Ländern des Nahen Ostens in einem sich rasch verändernden gesellschaftlichen und politischen Kontext beschäftigt. Der Text räumt mit zahlreichen Stereotypen auf, benennt sowohl innerkirchliche als auch politisch-gesellschaftliche Herausforderungen und zeigt zugleich positive Handlungsperspektiven für die Christinnen und Christen sowie die Kirchen vor Ort auf.

Dieser Tage hat die Gruppe einen weiteren Schritt zur Erhöhung der Sichtbarkeit ihrer Arbeit abgeschlossen, indem unter der Adresse https://wechooseabundantlife.com die Website zum Dokument online gegangen ist. In drei Sprachen (Englisch, Französisch, Arabisch) wird der Wortlaut des Dokuments präsentiert und zugleich für Christinnen und Christen aus der Region die Möglichkeit eröffnet, das Dokument auch online zu unterzeichnen. Darüber hinaus informiert die Website in verschiedenen Formen, darunter Berichte, wissenschaftliche Artikel und Videos, über Projekte und Aktivitäten der Gruppe in den verschiedenen Ländern der Region.

Zu dem elfköpfigen Team, das den Text erstellte, gehören u.a. Pfarrerin Najla Kassab, Präsidenten der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, Prof. Souraya Bechealany, ehemalige Generalsekretärin des Nahost-Kirchenrates, der orthodoxe libanesisch-deutsche Theologe Prof. Assaad Elias Kattan (er gehört auch der PRO ORIENTE-Kommission für den katholisch-orthodoxen Dialog an), der palästinensische lutherische Theologe Pfarrer Mitri Raheb sowie der maronitische Priester Rouphael Zgheib, nationaler Direktor der Päpstlichen Missionsgesellschaften im Libanon. Die Moderation der Gruppe liegt in den Händen des melkitischen Priesters Prof. Gabriel Hachem, dem Chefredakteur der französischsprachigen ökumenischen Zeitschrift "Proche Orient Chrétien".

Die Stiftung PRO ORIENTE beabsichtigt, in näherer Zukunft verstärkt die Situation der Christinnen und Christen in den Ländern des Nahen Ostens in den Blick zu nehmen, und wird in diesem Kontext mit der Gruppe eine engere Kooperation aufnehmen.

Umfassende Erneuerung

Der vollständige Titel der Publikation lautet: "Wir wählen ein Leben in Fülle. Christen im Nahen Osten: Für eine Erneuerung der theologischen, sozialen und politischen Entscheidungen". Das Dokument hält etwa fest, dass es falsch sei, stets von bedrängten "Minderheiten" zu sprechen, "die des externen Schutzes bedürfen, sei es in finanzieller oder geopolitischer Hinsicht".

Angesichts der Vielfalt der christlichen Präsenz in den Ländern des Nahen Ostens wird auf die Notwendigkeit ökumenischer Zusammenarbeit und die Bedeutung theologischer und spiritueller Bildung hingewiesen. Die Auswanderung von Christinnen und Christen, die in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, dürfe nicht ausschließlich als direkte Auswirkung des Aufkommens gewalttätiger islamistischer Bewegungen interpretiert werden. Es seien auch Faktoren der "inneren Schwäche", die den christlichen Geist von Institutionen und kirchlichen Realitäten belasten, zu berücksichtigen.

An mehreren Stellen wird dazu aufgerufen, den Schatz der eigenen kirchlichen Traditionen neu zu entdecken. Die Struktur der meisten historischen Kirchen des Nahen Ostens sei stark vom Prinzip der Synodalität geprägt. Die auf diesem Prinzip beruhenden traditionellen Merkmale des kirchlichen Lebens der Gemeinden müssten wiederhergestellt werden. Es sei mit dem Prinzip der Synodalität nicht zu vereinbaren, wenn "das Volk Gottes – insbesondere Frauen und junge Menschen – bei wichtigen Entscheidungen an den Rand gedrängt werden", so die Autorinnen und Autoren des Dokuments.

Angesichts des geopolitischen Kontextes rufen die Autorinnen und Autoren des Dokuments die Christinnen und Christen im Nahen Osten dazu auf, sich zu weigern, an diktatorischen politischen Regimen, seien sie ideologisch säkular, theokratisch oder feudal inspiriert, festzuhalten oder sich mit ihnen zu identifizieren. Die einzige zukunftsträchtige Perspektive sei eine aktive Beteiligung am öffentlichen Leben und der Einsatz für einen zivilen Staat, der auf Basis staatsbürgerschaftlicher Rechte und des Gleichheitsprinzips regiert wird. Nur ein solcher moderner Staat sei in der Lage, alle Diversitäten und Pluralitäten in den Ländern des Nahen Ostens aufzunehmen und zu integrieren.

Eine ausführliche Zusammenfassung des Textes findet sich unter: https://www.pro-oriente.at/?site=ne20210929140359