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Prager Theologe Halik sieht Kirche an geschichtsträchtiger Wende

Tschechischer Kirchenreformer referierte auf Einladung der Linzer PRO ORIENTE-Sektion im Bildungshaus Schloss Puchberg: Kirche in Situation, die in der Größenordnung mit jener der Reformation am Beginn der Neuzeit vergleichbar ist

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Linz, 10.3.2023 (poi) Der Prager Theologe und Soziologe Tomas Halik sieht die Katholische Kirche an einer geschichtsträchtigen Wende. Bei einem Vortrag im Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels attestierte Halik dem Christentum eine Müdigkeit, die daraus resultiere, dass die Kirchen den Anschluss an die Gesellschaft verloren habe. Die unterschiedlichen Dialogversuche - im katholischen Bereich vor allem das Zweite Vatikanische Konzil - der christlichen Gemeinschaften zielten auf den modernen Menschen ab, dabei werde aber übersehen, dass sich die Welt bereits in einem postmodernen Stadium befinde, so Halik.

Die Krisen der Kirche hätten mit der Missbrauchskrise einen traurigen Höhepunkt erreicht und nun sei es unabdingbar, dass tiefgreifende Reformen angegangen würden. Diese Reformen dürften aber nicht an den Strukturen hängen bleiben, warnte Halik. Die Reformen müssten vielmehr auf eine echte Glaubenserneuerung abzielen. Dies könne nur geschehen, wenn der Glaube als etwas Dynamisches verstanden werde, was ein ständiges Suchen voraussetze. Auf diese Weise könne die Kirche auch wieder dialogfähig mit dem postmodernen Menschen werden, da dieser in Zeiten vielfältiger Krisen ebenfalls auf der Suche sei.

Die Kirche müsse mithilfe ihres eigenen Ringens Vorbild für einen offenen Dialog sein, der durch Ehrlichkeit und Kommunikation auf Augenhöhe geprägt sein müsse. "Die Kirche darf nicht nur an sich selbst denken und hat sich von ihrem kollektiven Narzissmus zu befreien", forderte Halik.

Für den Theologen befindet sich die Kirche in einer Situation, die in der Größenordnung vergleichbar sei mit jener der Reformation am Beginn der Neuzeit. Diese neue Reformation sei eine ungemein große Chance, aber sie müsse zum Ziel haben, dass der "neue Wein" - die durch spirituelle Vertiefung neu zu findende zeitgemäße Strahlkraft des Evangeliums - in "neue Schläuche" - die neu zu erarbeitenden kirchlichen Strukturen - gefüllt werde, so Halik unter Verwendung einer biblischen Metapher.

Veranstalter des Abends in Puchberg waren die Linzer PRO ORIENTE-Sektion, das Bildungshaus Schloss Puchberg und die Katholische Privat-Universität Linz. Rund 250 Interessierte folgten den Ausführungen des Theologen und Soziologen. Der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer würdigte Haliks Lebenszeugnis wie auch seine wissenschaftlichen Reflexionen im Dienst der Gesellschaft. Halik stehe für Hoffnung inmitten der Stürme der Kirche, der Gesellschaft und der gegenwärtigen Kriege, zudem halte er die Zusage Jesu "Habt keine Angst" lebendig.