Südosteuropa: Theologinnen und Theologen im Einsatz gegen "Ethnoreligiosität"
Kroatische Theologin Mujkic im PRO ORIENTE-Blog "Healing of Wounded Memories" über die "toxische Verschmelzung ethnischer und religiöser Elemente" im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien
Wien, 21.03.24 (poi) Von den Bemühungen, die Verflechtung von Nationalismus und Religion in Südosteuropa aufzubrechen und auf theologischer Basis alternative Konzepte von Demokratie und Säkularismus zu entwickeln, berichtet die kroatische Theologin Zinka Mujkic in einem neuen Blog-Beitrag des PRO ORIENTE-Projekts "Healing of Wounded Memories". Mujkic ist die Generalsekretärin des im kroatischen Sibenik ansässigen "Institute for Theology and Politics (ITP)", das sich diesem Ziel verschrieben hat.
Mujkic spricht vom Phänomen der "Ethnoreligiosität". Dieser Begriff stehe für die "toxische Verschmelzung ethnischer und religiöser Elemente", bei der religiöse Institutionen zu Instrumenten nationalistischer Agenden bzw. Ideologien religiös verpackt würden. Soziale Spaltungen und Ungerechtigkeiten würden so sakral gerechtfertigt und aufrechterhalten. Das wohl beunruhigendste Phänomen solcher ethnoreligiöser Gemeinschaften sei die Verachtung der Opfer der anderen Seite und die Verherrlichung der eigenen Verbrecher, so Mujkic. Die Folgen seien in den Gräueltaten der Kriege in den 1990er Jahren, einschließlich ethnischer Säuberungen und Völkermord, deutlich sichtbar. Mujkic: "Wo ich herkomme, werden Kroaten ausschließlich als Katholiken, Serben als Orthodoxe und Bosniaken als Muslime bezeichnet." Diese "Markenzeichen" würden immer noch abgrenzend verwendet.
Kroatische und serbische Ethnonationalisten behaupteten aber nach wie vor, die Festung Europa zu verteidigen, indem sie ihre Mauern verstärken, um jede vermeintliche Bedrohung abzuwehren und sich gegen kulturelle und religiöse Einflüsse zu wehren.
Mujkic geht in ihrem Beitrag zudem auf den Islam auf dem Balkan bzw. die Bosniaken und deren schwierige Situation ein. Historisch gesehen seien sie oft als Türken und später als Muslime wahrgenommen worden, sie hätten lange um ihre Anerkennung als Nation im Vergleich zu ihren serbischen und kroatischen Nachbarn kämpfen müssen.
Das Phänomen der "Ethnoreligiosität" sei kein historisches Phänomen, sondern auch eine reale gegenwärtige Gefahr, nicht nur für den Raum Ex-Jugoslawiens, sondern für ganz Europa, warnt die Theologin. Das ITP wolle dieser Gefahr vor allem mit Bildungsangeboten entgegenwirken.
"Healing of Wounded Memories"
In dem Blog "Healing of Wounded Memories" (Verletzte Erinnerung heilen) werden über einen mehrmonatigen Zeitraum die Beiträge zur ersten internationalen Konferenz im Rahmen des gleichnamigen PRO ORIENTE-Projekts veröffentlicht, die vom 9. bis 11. November 2023 in Wien stattfand. Rund 50 Teilnehmende aus Europa, den USA und dem Nahen Osten hatten dabei Aspekte einer Theologie der Versöhnung reflektiert, zugleich aber auch konkrete geopolitische Konfliktfelder in der Ukraine, in Südosteuropa und im Nahen Osten in den Blick genommen.
2024 und 2025 werden regionale Workshops in besagten Regionen stattfinden. Die Ergebnisse dieser Workshops sollen anschließend in einer großen Abschlusskonferenz in Wien zusammengeführt werden. Für die Veröffentlichung der Projektbeiträge wurde statt einer Publikation in Buchform bewusst die Form eines Online-Blogs gewählt, um die Texte einer größeren Zielgruppe zugänglich zu machen. In dem Blog, der den gesamten Prozess begleitet, kommen Expertinnen und Experten verschiedenster Kirchen und Regionen zu Wort.
Zum Blog: www.pro-oriente.at/blog/healing-of-wounded-memories