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Synodaler Prozess im Nahen Osten: Junge Menschen aus Palästina wollen ihre Zukunft aktiv gestalten

PRO ORIENTE-Jugendworkshop in Betlehem mit Teilnehmenden aus fünf Kirchen

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PRO ORIENTE

Die nahezu aussichtslose politische Situation, die schwierige wirtschaftliche Situation, aber auch Besorgnis erregende gesellschaftliche und innerkirchliche Entwicklungen machen jungen Christinnen und Christen in Palästina besonders zu schaffen. Das haben die Teilnehmenden des jüngste PRO ORIENTE-Workshops in Betlehem klar benannt. Hinzu komme als weitere Herausforderung die geographische Fragmentierung, die durch die von Israel errichtete Mauer und Straßensperren das Zusammenkommen in Palästina sehr schwierig mache. Einfache Strecken, für die normalerweise etwa 20 Minuten benötigt werden, würden so eineinhalb Stunden ausmachen, abgesehen von den hohen Kosten, die damit verbunden sind, so die Workshop-Teilnehmenden. Das Zusammenwirken all dieser Faktoren führe in zunehmendem Maße zur Entscheidung, die Heimat zu verlassen und auszuwandern, besonders bei jungen Menschen.

Die Stiftung PRO ORIENTE und die ökumenische Gruppe "We choose abundant life" veranstalten in mehreren Ländern des Nahen Ostens Jugendworkshops, an denen junge Menschen verschiedener Kirchen teilnehmen. Ziel der Workshops ist es, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander zu vernetzen, und gemeinsam Möglichkeiten eines verstärkten kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements in den Ländern des Orients auszuloten. Von Seiten der Stiftung PRO ORIENTE ist Viola Raheb für das Projekt zuständig. Sie war auch in Betlehem mit dabei.

An dem Workshop nahmen 13 junge Menschen aus dem Großraum Bethlehem (Bethlehem, Beit Sahour, Beit Jalla), Ramallah, Ost-Jerusalem und Jenin teil. Sie gehörten fünf Kirchen an: der Griechisch-Orthodoxen, der Syrisch-Orthodoxen, der Römisch-Katholischen, der Melkitischen Griechisch-Katholischen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Zu den Vortragenden zählten Pfarrer Bashar Fawadleh, der Verantwortliche für die Jugendpastoral im Lateinischen Patriarchat von Jerusalem, und Prof. Mitri Raheb, Gründer und Präsident der Universität Dar al-Kalima, der auch zur "We choose abundant life"-Gruppe zählt. Pfarrer Fawadleh sprach über die Herausforderungen für junge Menschen in Kirche und Gesellschaft, während Prof. Raheb das Thema Zukunftsperspektiven und Handlungsoptionen für junge Menschen in Kirche und Gesellschaft bearbeitete. Der Workshop fand in der Dar-al-Kalima-Universität statt und wurde ermöglicht dank einer Förderung durch den Deutschen Verein vom Heiligen Lande (DVHL).

Der in Jerusalem lebende belgische Ökumene-Pionier P. Frans Bouwen M.Afr., der am Sonntagmittag zum Mittagessen kam, zeigte sich sichtlich bewegt von der Begegnung und den Gesprächen mit den jungen Menschen.

Zur kirchlichen Jugendarbeit und Ökumene meinten die jungen Menschen, dass es diesbezüglich einen deutlichen Rückgang in allen Kirchen gebe, insbesondere seit Ausbruch der Pandemie. Viele kirchliche Jugendprogramme seien auch mehr als Freizeit oder kulturelle Aktivitäten konzipiert, die theologische Dimension komme zu kurz, Ökumene komme kaum vor. Ganz im Gegenteil sei bei manchen Geistlichen eine antiökumenische Einstellung zu bemerken.

Viola Raheb zeigt sich ob des Befunds der jungen Menschen besorgt: "Als eine aus Palästina stammende Christin, die durch die kirchliche und ökumenische Jugendarbeit in Palästina zu einer Anwältin für mehr Ökumene und eine Einheit in Vielfalt wurde, bin ich traurig zu erleben, dass den jungen christlichen Generationen Palästinas diese Erfahrung inzwischen fehlt. Umso dringender ist es, für sie Räume des ökumenischen Dialogs und der Begegnung zu schaffen." Die Erfahrungen der jungen Menschen in Palästina würden sich im Übrigen mit jenen in anderen Nahost-Ländern decken.

Eine weitere ähnliche, nun aber positive Erfahrung: "Die jungen Menschen sind überrascht, dass ihnen jemand zuhören will und ihnen eine Möglichkeit bietet, sich zu äußern und kreativ über die Zukunft unserer Kirchen nachzudenken und darüber, wie mehr Teilhabe junger Menschen möglich wird", so Raheb. Auffällig sei die Tatsache, dass von den Teilnehmenden noch niemand vom Synodalen Prozess der Katholischen Kirche bzw. vom Thema Synodalität gehört hatte.

Das Interesse und der Wille, sich gegenseitig besser kennenzulernen und sich gemeinsam für ein Fortbestehen eines lebendigen Christentums in Palästina einzusetzen, sei so groß gewesen, dass sich die Jugendlichen für ein halbjähriges Fortbildungsprogramm aussprachen, das auch schon (online) begonnen hat.

Als Fazit stelle Raheb fest: "Es gibt unter den jungen Menschen eine Sehnsucht nach und den Willen zu mehr Ökumene, und dafür sind sie bereit, sich einzubringen und zu engagieren. Das ist ein Grund zur Hoffnung."

Die nächsten PRO ORIENTE-Jugendworkshops finden im Irak (Anfang Juli) und in Israel (Ende Juli) statt. Mitte September steht Ägypten auf dem Plan. Auch in Syrien ist ein Workshop geplant, für den der Termin derzeit noch nicht feststeht. Schon im März fand der erste Workshop in Beirut (Libanon) statt, der zweite folgte im Mai in Amman (Jordanien).

Das Video zum Workshop:
https://www.youtube.com/watch?v=kT7nwe6K3YE