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Synodalität: Katholische Kirche kann von Ostkirchen lernen

Salzburger PRO ORIENTE-Vorsitzender Prof. Winkler in "Herder Korrespondenz": Ostkirchen haben synodales Erbe der frühen Kirche stärker bewahrt als die Katholische Kirche

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Die Ostkirchen haben in vielen Bereichen Synodalität - ein Erbe der frühen Kirche - stärker bewahrt als die Katholische Kirche. Letztere sollte daher im Synodalen Prozess auf die Erfahrungen dieser Kirchen zurückgreifen. Das betont der Ostkirchen- und Ökumene-Experte und Vorsitzende der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion, Prof. Dietmar Winkler, in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Herder Korrespondenz.

Die Orientalisch-orthodoxen Kirchen armenischer, koptischer, syro-aramäischer, äthiopischer und indischer Tradition, wie auch die byzantinischen orthodoxen Kirchen verfügten über unterschiedliche partizipatorische Erfahrungen und synodale Strukturen. Kirchliche Entscheidungen würden auf verschiedenen Ebenen unter Einbeziehung von Nichtklerikern (Männern wie Frauen) getroffen. So seien zur letzten koptischen Papstwahl etwa 2.500 Wahlberechtigte - mehr als die Hälfte davon Laien, darunter etwa fünf Prozent Frauen - in der Kairoer St.-Markus-Kathedrale zusammengekommen und hätten aus einer BischofsIiste die letzten drei Papstkandidaten gewählt.

Die Kandidatenliste sei zuvor vom Heiligen Synod, der Mönchs-Synode, den Diözesen und einem Laiengremium erstellt worden. Aus dem Dreiervorschlag habe schließlich ein Kind vor der Versammlung der Gläubigen das Los mit dem Namen des zukünftigen Papstes gezogen. Winkler: "Damit wird auch dem Wirken des Heiligen Geistes bewusst Raum gegeben; eine rein kirchenpolitische Durchsetzung eines Kandidaten ist nicht möglich." Ebenso partizipatorisch, wenn auch mit anderen Akzenten, zeigten sich beispielsweise die Rumänisch-orthodoxe und die Armenisch-apostolische Kirche bei der Wahl ihres Oberhauptes, so der Salzburger Ostkirchenexperte.

Als weiteres Beispiel nannte Prof. Winkler das oberste repräsentative Gremium der Malankara Orthodox-syrischen Kirche in Indien, die Malankara Association. Deren 2.500 Mitglieder seien mehrheitlich Laien, denn darin sei neben der gesamten Bischofssynode auch jede Pfarrei mit einem Priester und zwei Laien vertreten.

All diese Formen der Synodalität seien in den Kirchen des Westens kaum geläufige Strukturen. Sie sollen daher auch im November 2022 in Rom durch zwei mehrtägigen Symposien, organisiert von der Stiftung PRO ORIENTE in Kooperation mit dem Ökumenischen Institut der Päpstlichen Universität "Angelicum" analysiert und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Ein Symposion wird auf die Kirchen byzantinischer Tradition fokussieren, ein zweites wird sich den orientalischen Kirchen zuwenden, die sich weitgehend außerhalb des griechisch-römischen Kulturkreises entfalteten.

Synoden in der frühen Kirche

Prof. Winkler zeichnet in seinem Beitrag auch die synodalen Strukturen der frühen Kirche und die weitere Entwicklung nach. Zugleich mit der Ausbreitung des Christentums habe sich die Synode als Zusammenkunft zur Lösung gemeinsamer Probleme und Aufgaben gebildet: "Wenn Fragen anstanden, die die Einheit der Kirche gefährdeten und eine gemeinsame Reaktion erforderten, kam man zur Problemlösung auf lokaler und regionaler Ebene zusammen."

Die ersten Synoden des zweiten und dritten ]ahrhunderts seien durch große Unabhängigkeit und Freiheit in der Themenwahl gekennzeichnet gewesen und hätten sich jeweils auf ein spezifisches geografisches Gebiet bezogen. Prof. Winkler verweist auf ein Schreiben des nordafrikanischen Bischofs Cyprian von Karthago (gestorben 258), aus dem zu entnehmen sei, "dass zu seiner Zeit eine Synode sowohl Klerus als auch Laien umfasste und keineswegs nur beratenden Charakter hatte". Man habe miteinander Verantwortung getragen, daher schreibe Cyprian: "Nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Rat des Presbyteriums und nichts ohne den Konsens des Volks." Damit werde deutlich, "dass die Entscheidung gemeinsam erfolgt. Synodalität und Hierarchie widersprechen sich nicht, sondern ergänzen und fördern einander", so Winkler.

Die Ergebnisse der Synoden hatten zunächst nur lokale Bedeutung, konnten allerdings auch von anderen Ortskirchen rezipiert werden. Dies sei durch den Austausch von Synodalbriefen geschehen, in denen die Ergebnisse kommuniziert wurden. Dahinter sei, so Prof. Winkler, das Bewusstsein gestanden, "dass eine Ortskirche und ihre Synode immer auch die ganze Kirche repräsentiert, aber nicht die ganze Kirche ist". Synodalbriefe seien "ein wichtiges Instrument der Kircheneinheit und Kommunikation" gewesen.

Winkler: "Synoden zeigten in den ersten Jahrhunderten einen fruchtbaren Austausch zwischen Laien, Klerus und Bischöfen. Dies änderte sich mit der Zeit Kaiser Konstantins im vierten Jahrhundert, als das Christentum auf dem Weg zur Staatskirche war." Nunmehr sei die Kirchenstruktur der staatlichen Verwaltung angepasst und regionale Synoden als Versammlungen einer römischen Provinz (dioecese) in der jeweiligen Hauptstadt (metropolis) abgehalten worden. Der Bischof der Metropolis habe größeren Einflussbereich erlangt und Bischöfe wurden zu exklusiven Mitgliedern der Synode. "Laien und niederer Klerus wurden Rezipienten der Autorität der Bischöfe, auch wenn sie als Experten und Ratgeber zugelassen waren. Aus den Synoden wurden Bischofs-Synoden und die Bischöfe galten als Repräsentanten ihrer Diözese", so Winkler.

Rezeption von Synoden

Man sehe am Beispiel der Alten Kirche auch, "dass die Synode nicht einfachhin mit der Promulgation der Ergebnisse durch die Bischöfe Gültigkeit hat. Sie wird erst wirksam, wenn sie durch das Volk Gottes angenommen wird." Dieser Rezeptionsprozess gehöre ebenso zur Synode und sei durchaus von Kontroversen und Auseinandersetzungen zwischen Bischöfen, Laien, Mönchen und Klerus begleitet worden. Winkler: "Die Bedeutung einer Synode oder eines Konzils wird erst durch die Annahme seiner Ergebnisse durch das gesamte Volk Gottes - Klerus und Laien - wirksam und nicht durch eine besonders großartige Einberufung durch Kaiser, Bischöfe oder Päpste."

Mit dem Niedergang des Weströmischen Reiches im fünften Jahrhundert kam es zu einer Auseinanderentwicklung von Ost- und Westkirche. Dennoch hätten regionale Synoden auch im lateinischen Westen eine starke Tradition behalten, allerdings - anders als in der Alten Kirche - bei einer wachsenden Bedeutung der kirchlichen Hierarchie.

Für das Mittelalter gebe es viele historische Beispiele für regionale und nationale Synoden in den Regionen der Goten und Franken, in Gallien, Spanien, England und anderen Ländern. Augustinus (gestorben 430) habe bereits zwischen Plenar- und Regionalkonzilien unterschieden. Johannes von Ragusa (gestorben 1443) habe fünf verschiedene Arten von Partikularsynoden genannt: Diözesan-, Metropolitan-, Provinz-, National- und Patriarchalsynoden, die im 14. und 15. Jahrhundert von Bedeutung waren.

Vor allem das 19. Jahrhundert habe die Katholische Kirche dann aber synodal völlig aus der Übung gebracht, betont Prof. Winkler: "Die Kirche wurde immer mehr auf den Bischof zentriert und hob ihn als alleinigen Entscheidungsträger hervor." Das Zweite Vatikanische Konzil habe wieder eine Wegkorrektur Richtung Gemeinschaft, Kollegialität und Partizipation vorgenommen. Papst Franziskus knüpfe hier an "und machte seit seinem Amtsantritt deutlich, dass sein Pontifikat im Zeichen der Kollegialität steht", so Prof. Winkler.