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Trauer um großen Ökumeniker: Metropolit Kallistos Ware verstorben

Der in England wirkende orthodoxe Geistliche gehörte u.a. der orthodox-katholischen Dialogkommission an und war ein langjähriger enger wie auch kritischer Mitarbeiter von Patriarch Bartholomaios

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Metropolit Kallistos (Ware), einer der großen Theologen des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, ist am Mittwoch verstorben. Der Bischof und Professor, der in der Griechisch-orthodoxen Kirche in Großbritannien wirkte, stand kurz vor seinem 88. Geburtstag. Er war u.a. Mitglied der Offiziellen Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der Katholischen und Orthodoxen Kirche. Im offiziellen Dialog der Orthodoxie mit der Anglikanischen Kirche war er ebenfalls federführend engagiert.

Kallistos Ware (geb. am 11. September 1934 in Bath in England) lehrte an der Universität Oxford orthodoxe Theologie. U.a. war von 1993 bis 1995 Metropolit Hilarion (Alfejew), bis vor Kurzem Leiter des Moskauer Außenamts und nun Bischof in Budapest, Student bei Ware. Hilarion war in den vergangenen Tagen extra von Budapest nach Oxford gereist, um Ware in dessen Todesstunde nahe zu sein.

Kallistos Ware war Autor zahlreicher Bücher über die orthodoxe Kirche, Theologie und Spiritualität. Der Theologe und Bischof kannte die westliche und östliche kirchliche Tradition von seiner eigenen Biografie her. Er wuchs als Anglikaner auf. Mit 24 Jahren konvertierte er zur orthodoxen Kirche und verbrachte einige Jahre in Griechenland und auf dem Berg Athos. 1966 wurde er schließlich Priester und Mönch.

1963 veröffentlichte er - noch als Laie - das Buch "The Orthodox Church", das mehrere Auflagen erlebte. Als er 1966 zum orthodoxen Priester geweiht wurde, gehörte er bereits dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel an, zuvor war er mit der Russischen Auslandskirche verbunden. Als Mönch erhielt er den Mönchsnamen Kallistos. Sein Taufname war Timothy. Im selben Jahr begann er seine Lehrtätigkeit in "Eastern Orthodox Studies" an der Universität Oxford. Diese Lehrtätigkeit übte er 35 Jahre hindurch bis zu seiner Emeritierung aus.

1982 wurde er für die Griechisch-orthodoxe Kirche in Großbritannien zum Bischof geweiht. Er wirkte als Weihbischof und Pfarrer der griechisch-orthodoxen Gemeinde von Oxford und war weiterhin Professor in Oxford. 2007 wurde er (für seine vielfältigen Verdienste) in den Rang eines Metropoliten erhoben.

Kritischer Geist

Der Metropolit war bei aller Treue zur Kirche stets auch ein kritischer Geist. So kritisierte er auch offen Patriarch Bartholomaios für dessen Gewährung der Unabhängigkeit an die Orthodoxe Kirche der Ukraine zum Jahreswechsel 2018/19. So sagte er in einem Interview im Frühjahr 2019: "Bei all meiner tiefen Ehrerbietung für Patriarch Bartholomaios muss ich seiner Entscheidung widersprechen. Für mich ist es klar, dass die Ukraine länger als 300 Jahre Bestandteil der russischen Kirche war. Dabei handelt es sich um eine historische Tatsache. Was geschehen ist, können wir nicht nachträglich ändern." Zur Lösung des Problems schlug Ware den Dialog der Betroffenen und schließlich eine Synaxis der orthodoxen Kirchenoberhäupter vor.

Schon kurz zuvor hatte der Metropolit bei einer Tagung im rumänischen Iasi vorgeschlagen, ein orthodoxes Konzil in einem anderen Modus als jenem von Kreta (2016) einzuberufen, um die im Ukrainekonflikt zutage getretene offene Frage der höchsten Entscheidungsgewalt in der orthodoxen Kirche zu klären. Das Konzil von Kreta habe die sakramentale Dimension vernachlässigt und sei "administrativ-bürokratisch" gewesen. Jetzt brauche es dringend eine theologisch fundierte Klärung der Frage, welche praktischen Implikationen der erste Platz in der orthodoxen Kirche - jener des Ökumenischen Patriarchen - habe. Der Metropolit hatte als einer der bedeutendsten Theologen des Ökumenischen Patriarchats am Konzil auf Kreta teilgenommen.

Synodalität und Primat

Zuvor hatte Metropolit Kallistos dargelegt, dass Synodalität mehr bedeutet als die Summe von individuellen Meinungen: "Wenn wir uns im Konzil versammeln, werden wir Sünder 'etwas mehr' als wir als isolierte Individuen wären: Dieses 'etwas mehr' ist die Präsenz Christi, der unter uns durch die Gnade des Heiligen Geistes wirksam ist". Das sei auch der Grund für den Gebrauch des "wir" anstatt des "ich" im Gebet wie auch in allen konziliaren oder synodalen Feststellungen. "Das entscheidende synodale Wort ist 'wir'", betonte der britische Metropolit. Synodalität und Versammlung in einem Konzil bedeute "nicht Monolog, sondern Dialog, nicht Selbstgenügsamkeit, sondern Austausch, nicht Konzentration auf das eigene Ich, sondern Communio, das heißt Gemeinschaft".

Es gebe in der orthodoxen Kirche keinen Primat ohne Konzil und kein Konzil ohne Primas, erinnerte Kallistos. Dies folge aus der eucharistischen Natur der Kirche. Denn auch bei jeder Eucharistiefeier (Messe) gebe es einen, der als liturgischer Vorsitzender fungiere.

Zwischen dem Primas und seinen Mitbischöfen gebe es eine wechselseitige Beziehung. Die Bischöfe könnten nicht ohne den Primas handeln, aber auch nicht der Primas ohne die Bischöfe, unterstrich Metropolit Kallistos. Die zentrale Funktion des Primats sei es, die gegenseitige Konsultation zu fördern und die Einheit der Kirche zu wahren. Metropolit Kallistos hatte in diesem Sinn auch federführend am Ravenna-Dokument des katholisch-orthodoxen Dialogs zum Thema "Synodalität und Primat" aus dem Jahr 2007 mitgearbeitet.

Als Autor fügte Kallistos Ware zu seinem epochemachenden Werk "The Orthodox Church" 1979 ein Begleitbuch "The Orthodox Way" hinzu. Von besonderer Bedeutung ist seine Übersetzungsarbeit, so die Übersetzung der "Philokalie", des grundlegenden Werks der ostkirchlichen Spiritualität und des "Triodions" (das Ritualbuch, das die gottesdienstlichen Texte für die Zeit vom Sonntag des Pharisäers und Zöllners bis kurz vor Ostern enthält).