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Raqqa: Keine Freude bei einheimischen Christen über wiedererrichtete armenische Kirche

Kirche wurde von evangelikalen "Free Burma Rangers" errichtet – Armenisch-katholische Diözese auf Distanz zu der Gruppierung

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In der nordostsyrischen Stadt Raqqa wurde vor Kurzem die früher armenisch-katholische Kirche der Märtyrer wiedererrichtet. Für die wenigen verbliebenen einheimischen Christinnen und Christen ist das aber nicht unbedingt ein Grund zum Feiern, wie der vatikanische Fides-Pressedienst dieser Tage berichtete. Diejenigen von ihnen, die noch in der Stadt leben, nutzen die Kirche nicht, es werden keine Gottesdienste gefeiert. Nur ab und zu wird sie von neu gegründeten evangelikalen christlichen Gruppen genutzt.

Die Kirche wurde bei der Rückeroberung der Stadt durch die Anti-IS-Koalition vor fünf Jahren von kurdischen und westlichen Streitkräften fast vollständig zerstört. Raqqa gehört zum unter kurdischer Kontrolle stehend Teil Syriens, auf den die Regierung in Damaskus keinen Zugriff hat. Boutros Marayati, armenisch-katholischer Erzbischof im von der Regierung kontrollierten Aleppo, zu dessen Jurisdiktionsbereich Raqqa gehört, hat sich deshalb auch gegenüber Fides sehr distanziert zu dem Projekt geäußert.

Hinter dem Wiederaufbau der Kirche steckt die Organisation "Free Burma Rangers". Diese wurden Ende der 1990er-Jahre vom evangelikalen US-Pastor Dave Eubank in Myanmar gegründet, um die Widerstandsgruppen der Karen gegen die Offensiven der Armee zu unterstützen. Eubank ist auch ein ehemaliger Offizier der US Army Special Forces. Die von ihm gegründete Organisation versteht sich nicht zuletzt als humanitäres, medizinisches und mediales Hilfswerk für Guerillakämpfer, Milizen und Armeen, die gegen Apparate kämpfen, die im Zeichen von Unterdrückung, Missbrauch und Gewalt agieren.

Nach ihrem Einsatz in Myanmar waren die "Burma Rangers" auch an der Seite der irakischen Armee im Kampf um die Befreiung von Mosul tätig. In Raqqa boten sie wiederum den kurdischen Milizen ihre Dienste an. Die Organisation beteiligt sich dabei aber nicht direkt an militärischen Offensiven.

In Syrien konzentrieren sich die Bemühungen der "Burma Rangers" seit 2017 insbesondere auf Symbole der christlichen Präsenz, die in den Kriegsjahren beschädigt wurden. Das Projekt zum Wiederaufbau der armenisch-katholischen Kirche in Raqqa wurde allerdings ohne jegliche Beauftragung oder Zustimmung durch den Eigentümer der Kirche, die armenisch-katholische Erzdiözese Aleppo, betrieben.

Im Inneren der Kirche befindet sich nun auch kein Altar mehr, sondern eine Kanzel für die Predigt, wie es in den Gotteshäusern der evangelikalen Gemeinden üblich ist. Das im Krieg wie die Kirche ebenfalls stark zerstörte Haus des Gemeindepriesters sowie die daneben liegende Schule wurden nicht wieder aufgebaut, sie wurden vollständig abgerissen. Somit steht die Kirche nun inmitten einer großen Brachfläche.

Das Beispiel der armenischen Kirche in Raqqa veranschaulicht zum einen die schwierige politische Situation in Syrien. Das Land ist de facto in verschiedene Macht- und Einflussgebiete aufgeteilt, was die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Landesteilen erheblich erschwert. So ist es für die Kirchen beispielsweise eine große Herausforderung, Priester über die Grenzen zwischen den Einflussgebieten hinweg zu entsenden. Zum anderen wird das angespannte Verhältnis zwischen den einheimischen Kirchen und westlichen evangelikalen Gruppen deutlich, die versuchen, im Nahen Osten Fuß zu fassen und zu missionieren.