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Ökumene-Expertin: Wichtiger Schritt im katholisch-orthodoxen Dialog gelungen

Theologin Prof. Hainthaler zieht positive Bilanz der Erarbeitung und Verabschiedung des neuen Konsensdokuments "Synodalität und Primat im zweiten Jahrtausend und heute" der offiziellen katholisch-orthodoxen Dialogkommission - Nächstes Dokument "Towards Christian Unity" soll sich den noch offenen ökumenischen Fragen widmen

POI 230623

Fotos: PRO ORIENTE

Wien, 23.06.23 (poi) Die Gemeinsame Internationale Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der Römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche hat auf ihrer jüngsten Vollversammlung Anfang Juni in Alexandria das Dokument "Synodalität und Primat im zweiten Jahrtausend und heute" verabschiedet. Wie die katholische Theologin Prof. Theresia Hainthaler, die selbst Mitglied der Kommission ist, gegenüber dem PRO ORIENTE-Informationsdienst betonte, sei damit ein "sehr wichtiger Schritt" erfolgt. Das Dokument biete einen Durchgang durch die Kirchengeschichte, fokussiert auf Synodalität und Primat, "der viele Hintergründe der Entwicklung anzeigt und so hoffentlich zum gegenseitigen Verständnis beiträgt".

Auch wenn das Thema im Grunde so breit sei, dass es einen oder mehrere Bände benötigen würde, biete das Dokument nun einen Überblick und verdeutliche wesentliche Züge. "Die lange und vielfältige Überarbeitung ist zu einem Schlusspunkt gekommen, der akzeptabel ist", so das Fazit Hainthalers.

Die Dialogkommission hält in dem Konsensdokument fest, dass die Kirche weder als Pyramide verstanden werden könne, in der ein Primas von der Spitze aus regiert, noch als eine Föderation autarker Kirchen. Die historische Untersuchung der Synodalität und des Primats im zweiten Jahrtausend habe gezeigt, "dass beide Ansichten unangemessen sind". Ebenso sei klar geworden, dass für römisch-katholische Christinnen und Christen Synodalität nicht ausschließlich im Sinne von Beratung zu verstehen sei, und für orthodoxe der Primat mehr sei als nur ein Ehrentitel. Synodalität und Primat müssten aus theologischer Sicht als "miteinander verbundene, komplementäre und untrennbare Wirklichkeiten" gesehen werden.

Dass es gelungen ist, die mehrjährige Arbeit an dem Dokument erfolgreich zu beenden, liegt laut Prof. Hainthaler an verschiedenen Faktoren: "Wir hatten ein exzellentes und effektives Redaktionskomitee, einige sehr kompetente Mitglieder in der Kommission, die Sachfragen schnell und klar beantworten konnten, sowie in der Leitung der Kommission den klaren Willen, auf eine gute und solide Weise mit der Bearbeitung zu Ende zu kommen." Die Mitglieder der Kommission, auch die vielen neuen auf orthodoxer Seite, hätten "konstruktiv und diszipliniert, sachbezogen" gearbeitet. Auch die herzliche Atmosphäre und Aufnahme in Alexandria durch Patriarch Theodoros II. und seine Mitarbeiter habe sicherlich nicht unwesentlich zum Erfolg der Vollversammlung beigetragen, so Hainthaler.

Die Theologin gab einen Einblick in die lange Genese des Dokuments: Der Text wurde demnach zuerst 2018 von einer Subkommission, bestehend aus fünf katholischen und fünf orthodoxen Mitgliedern, erarbeitet. Dazu sei zunächst eine Einteilung in historische Perioden vorgenommen worden, zu denen dann jeweils von einem katholischen und einem orthodoxen Mitglied ein gemeinsamer Text erstellt worden sei. Überarbeitungen, Kürzungen und Hinzufügungen seien im Anschluss mehrfach erfolgt, sowohl in der Subkommission als auch danach in drei Treffen des Koordinationsausschusses 2018 und 2019 in Bose sowie - bedingt durch die Pandemie - erst 2022 in Rethymno. Auch die Vollversammlung habe den Text nochmals überarbeitet.

Antiökumenische Positionen

Darauf angesprochen, dass im Kommuniqué davon die Rede ist, dass die Georgische Kirche bei einigen Punkten des Dokuments nicht zustimmen konnte, erläuterte Hainthaler, dass die Probleme der Vertreter der Georgischen Kirche grundsätzlicher Natur seien. Diese seien der Meinung, dass die Einheit der Kirche (von Christus) vorgegeben und die Kirche nicht gespalten sei. Daher könne es auch kein Bemühen geben, die Einheit wiederherzustellen. Es gebe nur die eine Kirche des Glaubensbekenntnisses, welche in dieser Sicht allein die orthodoxe Kirche sei.

Die Georgier würden damit die Position antiökumenischer Kräfte ins Wort bringen, die es in allen orthodoxen Kirchen in unterschiedlicher Stärke gebe. Hinzu komme, dass die bisherigen Dokumente im orthodox-katholischen Dialog zum Teil kaum bekannt seien.

Innerorthodoxe Herausforderungen

Hainthaler bedauerte auch, dass die Kirchen von Antiochien, Moskau, Serbien und Bulgarien keine Vertreter nach Alexandria entsandt hatten. Dabei habe ein Vertreter von Moskau noch am Entwurf in der Subkommission mitgearbeitet und ein Vertreter Serbiens nicht nur in der Subkommission, sondern auch im Koordinationsausschuss. Aufgrund einer panorthodoxen Übereinkunft gelte aber, dass der Dialog fortgesetzt wird, wenn eine einzelne Kirche keine Vertreter zu einer Sitzung entsendet – es sei denn, es gäbe eine panorthodoxe Entscheidung dazu. Das Dokument sei daher als solches gültig, auch ohne die Anwesenheit der Kirchen von Antiochien, Moskau, Serbien und Bulgarien bei dessen Verabschiedung.

Sie glaube auch nicht, so Hainthaler, dass es in dem Dokument Punkte gebe, die inhaltlich für einzelne Kirchen problematisch sein könnten. "Die Texte werden freilich aus unterschiedlicher Perspektive gelesen und ausgelegt, auch auf die je heutige Situation, und da kann es sein, dass man vielleicht eine Änderung einer Formulierung wünscht oder eine Hinzufügung", so die Theologin. Nachsatz: "Das ist das Risiko, wenn eine Kirche nicht vertreten ist." Prof. Hainthaler brach zudem eine Lanze für die verstärkte Rezeption der Konsensdokumente, sowohl auf orthodoxer wie katholischer Seite.

Nach der Verabschiedung des Dokuments "Synodalität und Primat im zweiten Jahrtausend und heute" werde sich die Kommission nun laut Hainthaler dem Dokument "Towards Christian Unity" zuwenden. Das Dokument liege in einer umfassenden Erstfassung schon seit 2018 vor. Darin würden die Früchte gesammelt, die der ökumenische Dialog bisher vorzuweisen hat, die noch offenen Fragen benannt, die der Einheit entgegenstehen, sowie Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Der Koordinationsausschuss werde 2024 diesen Entwurf bearbeiten und dann der Vollversammlung vorlegen, so Hainthaler.

Sieben Konsensdokumente

Der offizielle theologische bilaterale katholisch-orthodoxe Dialog wurde 1980 aufgenommen. Inklusive Alexandria haben bisher 15 Vollversammlungen der Dialogkommission stattgefunden, die je 30 katholische und orthodoxe Mitglieder hat. Die letzte Vollversammlung vor Alexandria fand 2016 im italienischen Chieti statt. Den Vorsitz über die Dialogkommission teilen sich Kardinal Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, und Metropolit Job (Getcha) von Pisidien vom Ökumenischen Patriarchat. Zwischen den Vollversammlungen findet die Arbeit im Rahmen des Koordinierungsausschusses statt, der Subkommissionen zur Erarbeitung von Texten einsetzen kann und die Vollversammlungen inhaltlich vorbereitet.

Sieben Konsensdokumente konnten bisher von der Dialogkommission veröffentlicht werden: "Das Mysterium der Kirche und der Eucharistie im Licht des Mysteriums der Heiligen Dreifaltigkeit" (München 1982), "Glaube, Sakramente und die Einheit der Kirche" (Bari 1987), "Das Weihesakrament in der sakramentalen Struktur der Kirche mit besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Apostolischen Sukzession" (Uusi Valamo 1988), "Der Uniatismus: Eine Methode der Vergangenheit und die gegenwärtige Suche nach voller Gemeinschaft" (Balamand 1993), "Kirchliche Gemeinschaft, Konziliarität und Autorität" (Ravenna 2007), "Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend" (Chieti 2016) sowie nun "Synodalität und Primat im zweiten Jahrtausend und heute" (Alexandria 2023).