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Algerien: Lokale Caritas muss alle Aktivitäten einstellen

Maßnahme erfolgt auf Beschluss der algerischen Behörden - Caritas-Verantwortlicher Erzbischof Paul Desfarges: Vollständige und endgültige Schließung aller Einrichtungen

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Foto: Facebook / Caritas.Algerie

Die katholische Kirche in Algerien gibt mit Bedauern die Schließung aller karitativen Aktivitäten und Einrichtungen der Caritas Algerien ab dem 1. Oktober 2022 bekannt. Das vermeldete der vatikanische Fides-Nachrichtendienst, der sich auf ein Kommuniqué der Erzdiözese Algier bezieht, das vom emeritierten Erzbischof und Caritas-Verantwortlichen Paul Desfarges unterzeichnet ist. In der Mitteilung ist von einer "vollständigen und endgültigen" Schließung die Rede. Die Maßnahme erfolge auf Wunsch der algerischen Behörden. "Selbstverständlich", so heißt es in dem Text, "bleibt die katholische Kirche ihrem karitativen Auftrag im Dienste der Geschwisterlichkeit treu", und zwar "in Verbindung mit allen Menschen guten Willens".

Das Kommuniqué zitiert aus dem Vorwort des "Dokuments über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt", das im Februar 2019 in Abu Dhabi von Papst Franziskus und dem sunnitischen Scheich Ahmed al Tayyeb, Großimam der Al Azhar-Universität, unterzeichnet wurde: "Der Glaube lässt den Gläubigen im anderen einen Bruder sehen, den man unterstützt und liebt. Aus dem Glauben an Gott, der das Universum, die Geschöpfe und alle Menschen - aufgrund seines Erbarmens - mit gleicher Würde erschaffen hat, ist der Gläubige gerufen, diese menschliche Brüderlichkeit zum Ausdruck zu bringen, indem er die Schöpfung und das ganze Universum bewahrt und jeden Menschen unterstützt, besonders die am meisten Bedürftigen und die Ärmsten".

Die katholische Kirche wolle all jenen danken, heißt es abschließend im Kommunique, "die im Laufe der Jahre und auf unterschiedliche Weise dazu beigetragen haben, dieses Werk im Dienste der Schwächsten und des algerischen Volkes zu unterstützen".

Die Entscheidung, die Aktivitäten von Caritas Algerien einzustellen, wurde von den zuständigen algerischen Behörden demnach getroffen, ohne den Bischöfen der katholischen Kirche Algeriens eine ausführliche offizielle Begründung zu geben. Der "Fides-Nachrichtendienst" bezog sich auf nicht näher genannte "lokale Quellen", wonach die Caritas vermutlich Gegenstand dieser restriktiven Maßnahmen wurde, weil sie als ausländische Nichtregierungsorganisation betrachtet wird. Alle Mitteilungen des Innenministeriums enthielten allgemeine Hinweise auf die Tatsache, dass die katholische Kirche angeblich eine nicht zugelassene Organisation "deckt", die in "illegale" Aktivitäten verwickelt ist, ohne jedoch konkrete Hinweise auf irgendwelche Gesetzesartikel zu geben, gegen die angeblich verstoßen wurde.

Vertreter der lokalen katholischen Gemeinde würden hingegen ausschließen, hieß es, dass die von den algerischen Behörden auferlegten Maßnahmen durch Gefühle der Feindseligkeit gegenüber der katholischen Kirche und ihrer Präsenz im Land genährt werden. Vielmehr sehen sie einen Zusammenhang mit der allgemeinen Politik der Restriktionen, die in letzter Zeit gegen ausländische und multinationale NGOs verhängt wurden.

Christentum in Algerien

Die Christen sind in Algerien eine kleine Minderheit und machen nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung aus bei insgesamt rund 43 Millionen Einwohnern. Dabei gehörte die Mittelmeerregion Algeriens in den ersten Jahrhunderten zu den Zentren des Christentums. Mit dem Vordringen des Islam im 7. Jahrhundert verschwand das Christentum allerdings zunächst vollständig aus der Region und kehrte erst mit der Kolonialmacht Frankreich zurück.

1830 begann die französische Kolonialherrschaft. Mit den Militärs und Kolonialisten kam auch die Katholische Kirche. 1838 wurde in Algier die erste Diözese errichtet, es folgten Constantine und Oran, während im südlichen Teil das Apostolische Vikariat Ghardaia/Laghouat errichtet wurde. Zahlreiche Ordensgemeinschaften strömten ins Land. Sie waren auch für viele Sozial- und Bildungsinitiativen verantwortlich. Davon ist heute nichts mehr übrig. Die katholische Kirchenstruktur besteht hingegen bis heute. Erst im Dezember 2021 wurde Jean-Paul Vesco (59) von Papst Franziskus zum neuen Erzbischof von Algier und Nachfolger von Paul Desfarges ernannt.

Anfang des 20. Jahrhunderts schätzte man allein die Zahl der Katholiken in Algerien noch auf etwa eine Million. Mit der Unabhängigkeit des Landes verließen fast alle das Land.

Die Zahl der Christinnen und Christen wird heute auf 80.000 bis 90.000 geschätzt. Davon sind rund 5.000 bis maximal 10.000 katholisch, wobei es keine genauen Zahlen gibt. So gut wie alle Katholiken sind Ausländer. Die Datenlage ist auch deshalb so dürftig, weil unter den Katholiken viele (illegale) Migranten aus Schwarzafrika sind. Die Caritas-Algerien hat dieser Gruppe stets besonderes Augenmerk gewidmet und sich vor allem kranken Menschen und Minderjährigen zugewandt.

Die Mehrheit der Christinnen und Christen gehört einer von zahlreichen protestantischen und charismatischen Gemeinschaften an. Die Mitglieder dieser Kirchen und Gemeinschaften sind fast ausschließlich Algerier, die sich zum Christentum bekehrt haben und überwiegend in dem Gebiet der Großen Kabylei wohnen.

Den Christinnen und Christen ist es unter Strafandrohung verboten, außerhalb der staatlich anerkannten christlichen Gemeinschaften ihren Glauben zu praktizieren oder zu verkünden. Von den einst mehr als 30 protestantischen Kirchen wurde in den vergangenen Jahren von den Behörden der Großteil geschlossen.