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Bulgarien: Kirchenplädoyer gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit

Erklärung des Hl. Synods der Bulgarisch-orthodoxen Kirche anlässlich des 80. Jahrestages der Rettung der bulgarischen Juden vor dem Holocaust

POI 20230313

Foto: bg-patriarshia.bg

Der Synod der Bulgarisch-orthodoxen Kirche hat dieser Tage eine Erklärung veröffentlicht, in der jede Form von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verurteilt und zugleich zu Nächstenliebe, Toleranz, Solidarität und Menschlichkeit aufgerufen wird. Anlass der Erklärung war der Jahrestag des breiten kirchlichen und gesellschaftlichen Widerstands in Bulgarien gegen die Deportation der jüdischen Bevölkerung vor 80 Jahren. Der offizielle Gedenktag ist der 10. März.

"Im Einklang mit der christlichen Lehre und der 1.000 Jahre alten Praxis von Toleranz, Empathie und Liebe hat die Bulgarisch-orthodoxe Kirche seit jeher jede Form von Antisemitismus, rassistischem oder religiösem Hass gegenüber den Vertretern der jüdischen Gemeinde sowie grundsätzlich gegenüber jeder Person abgelehnt", heißt es in der Erklärung wörtlich. Das Evangelium lehre "die Gleichheit aller Menschen vor Gott, unabhängig von Herkunft, Rasse und Kultur". Nachsatz: "Deshalb müssen wir uns für die Juden einsetzen."

Zwar wurden auch in Bulgarien Juden spätestens ab 1941 schwer diskriminiert, doch von Deportationen wollte die bulgarische Führung lange Zeit nichts wissen. Als die Regierung Anfang 1943 dem Druck der Nazis nachzugeben schien, setzte massiver kirchlicher und gesellschaftlicher Widerstand ein.

In den ersten Märztagen 1943 kam es zur Verhaftung von Juden in Provinzstädten. Der Metropolit von Plowdiw, Kyrill, der spätere Patriarch, setzte sich aber sofort bei den örtlichen Behörden für die Juden von Plowdiw ein und bot sein Haus als Zufluchtsort an. Rund 600 jüdische Personen wurden in einer jüdischen Schule festgehalten. Kyrill suchte persönlich die Schule auf und verhinderte, dass die Menschen deportiert wurden. Unter anderem kündigte er an, sich persönlich auf die Gleise zu legen, um eine Abfahrt zu verhindern. (Kyrill war von 1938 bis 1953 Metropolit von Plowdiw, dann von 1953 bis zu seinem Tod 1971 Patriarch der Bulgarisch-orthodoxen Kirche.)

In ganz Bulgarien setzten sich viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bei Freunden und Verwandten in Regierungskreisen für die Juden ein. Für die jüdischen Bewohner von Dupniza und Sofia setzte sich etwa in ähnlicher Weise der Metropolit von Sofia, Stefan I., ein, der massiv bei der bulgarischen Regierung intervenierte. Am 24. Mai 1943 fand in der Hauptstadt eine große öffentliche Demonstration zur Verteidigung und Unterstützung der bulgarischen Juden statt.

Die Regierung mit Staatsoberhaupt Zar Boris III. an der Spitze fuhr infolge der Proteste einen Schlingerkurs und versuchte, die Nazis hinzuhalten, was auch gelang. So konnte im Prinzip die gesamte jüdische Bevölkerung Bulgariens, rund 51.000 Menschen, vor dem Abtransport in die Vernichtungslager gerettet werden.

Metropolit Stefan I. leitete als Exarch von 1945 bis 1948 die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche. Er wurde aber von den Kommunisten abgesetzt und in den kleinen Ort Banya verbannt. Dort starb er 1957 im Alter von 79 Jahren. Bis zum Zusammenbruch des sozialistischen Systems 1989 blieb der Einsatz Stefans I. in Vergessenheit. Im Jahr 2001 wurde er postum von der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt.

Nicht alle wurden gerettet

Wie der Synod der Bulgarisch-orthodoxen Kirche in seiner aktuellen Erklärung betont, wären die Rettungstaten vor 80 Jahren nicht möglich gewesen, wenn nicht Klerus und gläubiges Volk gemeinsam für die Rettung der jüdischen Bevölkerung eingetreten wären.

Der Einsatz der Kirche erstreckte sich allerdings nicht auf jene Territorien (Mazedonien und Thrakien), die von Bulgarien während des Zweiten Weltkriegs einige Zeit besetzt waren. Aus diesen Gebieten wurden mehr als 11.000 Jüdinnen und Juden in Vernichtungslager deportiert. So bekennt der Synod auch in seiner aktuellen Erklärung, dass man diese Tatsache mit großem Bedauern einräumen müsse: "Es tut uns aufrichtig leid!"

Die Bulgarische Orthodoxe Kirche war im Jahr 2017 für ihren Einsatz für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden.