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Christlicher Schulterschluss für verstärkten Einsatz für Frieden und Abkehr von Krieg und Nationalismus

22. Dezember 2025

Neue PRO ORIENTE-Blog-Beiträge der nordmazedonischen orthodoxen Ordensfrau Efimija Zajkovska und der kroatischen Theologin und Friedensaktivistin Ana Raffai über Chancen und Hemmnisse des christlichen Einsatzes für den Frieden in aktuellen Konfliktsituationen

Poi

Wien, 22.12.2025 (poi) Angesichts von Krieg, Gewalt und gesellschaftlicher Polarisierung fordern christliche Stimmen aus Südosteuropa einen unmissverständlichen, aktiven Einsatz der Kirchen für Frieden, Gewaltfreiheit und Versöhnung. Krieg sei nicht nur ein politisches oder geopolitisches Problem, sondern eine fundamentale Herausforderung für den christlichen Glauben selbst. Kirchen dürften sich nicht länger auf Appelle beschränken, sondern müssten ihre friedensethische Verantwortung sichtbar und wirksam wahrnehmen, heißt es in zwei neuen Beiträgen im PRO ORIENTE-Blog "Healing of Wounded Memories". 

Die orthodoxe Ordensfrau Efimija Zajkovska aus Nordmazedonien spricht in ihrem Blog unter dem Titel "The Cross and the Sword: Reexamining the Christian Ethos in the Shadow of Aggression" von einer "tiefen geistlichen Krise", deren sichtbarster Ausdruck der Krieg in der Ukraine sei. Dieser zwinge Christinnen und Christen zu einer "radikalen Neubefragung der christlichen Botschaft angesichts moderner Aggression". Krieg sei eine "ekklesiologische Provokation". Mit Blick auf Teile der orthodoxen Welt bekennt Zajkovska "tiefe Scham" darüber, dass kirchliche Akteure Krieg legitimierten oder unterstützten. Dies sei "ein Verrat am Evangelium" und komme einer theologischen Irrlehre gleich. 

Dagegen sei es dringend erforderlich, eine "Kultur des Friedens" zu schaffen. Dieser Einsatz sei für die Kirchen essentiell und erschöpfe sich nicht in Appellen. Vielmehr brauche es eine "Rebellion", so der Aufruf der Ordensfrau. Gemeint sei damit indes kein politischer Umsturz, sondern ein entschiedener Widerstand aus dem Kern des Evangeliums heraus. Das christliche Ethos müsse sich "erneut als Leuchtfeuer für Gerechtigkeit, Versöhnung und Licht" erheben und sich der Instrumentalisierung durch Macht und Ideologie verweigern. 

Ausdrücklich verweist sie außerdem auf die klare Ablehnung des Krieges durch die orthodoxen Kirchen beim "Heiligen und Großen Konzil" von Kreta 2016 unter dem Vorsitz des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. Doch bloße Ablehnung reiche nicht aus. "Wie kann ein Kirchenführer behaupten, christliche Werte zu verteidigen, und zugleich Gewalt rechtfertigen?", fragt Zajkovska. Die Gleichzeitigkeit von moralischer Strenge etwa in bioethischen Fragen und der Akzeptanz von Krieg offenbare eine "Vergötzung von Macht" statt der Bindung an das Gebot der Liebe. 

Kirchen fehlt es an Strategie und Praxis

Ähnliche Forderungen erhebt die kroatische katholische Theologin und Friedensaktivistin Ana Raffai mit Blick auf die Kirchen in Kroatien und Serbien in ihrem Blogbeitrag unter dem Titel "How can churches in Croatia and Serbia promote peace in societies torn apart by violence?" Trotz einzelner engagierter Personen seien weder die katholische noch die orthodoxe Kirche gesellschaftlich als glaubwürdige Akteure der Friedensarbeit wahrnehmbar. Es fehle an "klarer Strategie und sichtbarer Praxis in Fragen von Vergebung und Versöhnung", gerade im Kontext der Kriege der 1990er Jahre. Friedensarbeit erfordere jedoch die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Gemeinschaft – ein Risiko, das Kirchen oft scheuten, um nationale Positionen nicht zu gefährden. 

Dabei sei Risiko ein Wesenselement des Glaubens selbst, betont Raffai unter Verweis auf biblische Beispiele von Abraham bis Maria. Zentrale Botschaften wie die Bergpredigt oder die Feindesliebe seien nicht abstrakt, sondern als konkrete Handlungsanleitung zur Gewaltfreiheit zu verstehen. Hoffnung sieht sie in kirchlichen Initiativen und Einzelprojekten: in Kroatien etwa im Engagement des "Jesuit Refugee Service" für Geflüchtete, in Serbien bei kirchlichen Akteuren, die öffentlich gewaltfreie Proteste gegen Korruption unterstützen. 

Als positives Beispiel nennt Raffai auch regionale interreligiöse Vernetzungen wie die Initiative "Believers for Peace", die seit zwei Jahrzehnten in Südosteuropa tätig ist. Bei einer Konferenz in Omiš im Oktober erklärten christliche und muslimische Gläubige gemeinsam: "Wir stehen täglich vor der Wahl, entweder die Gewalt der Mächtigen zu unterstützen – offen oder durch Schweigen – oder ihr zu widerstehen." 

Zajkovska und Raffai waren Vortragende bei der jüngsten PRO ORIENTE-Konferenz "Healing Wounded Memories: The Responsibility of Churches to Heal", die vom 13. bis 16. November in Wien stattfand. Für die Konferenz waren 70 Teilnehmende aus 25 Ländern nach Wien gekommen, darunter Geistliche und Laien sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen und Arbeitsfeldern. 

Ein Kurzfilm mit Impressionen der Konferenz ist auf dem YouTube-Kanal von PRO ORIENTE abrufbar: https://youtu.be/plQjX-wsU_o 

BLOG-Beitrag von Efimija Zajkovska unter dem Titel "The Cross and the Sword: Reexamining the Christian Ethos in the Shadow of Aggression": https://www.pro-oriente.at/blog/the-cross-and-the-sword-reexamining-the-christian-ethos-in-the-shadow-of-aggression 

BLOG-Beitrag von Ana Raffai unter dem Titel "How can churches in Croatia and Serbia promote peace in societies torn apart by violence?": https://www.pro-oriente.at/blog/how-can-churches-in-croatia-and-serbia-promote-peace-in-societies-torn-apart-by-violence