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Erfolgreiche Bilanz einer Solidaritätsreise in den Tur Abdin

03. September 2025

Delegation der Salzburger Sektion und der "Initiative Christlicher Orient" besuchte Kernland der Syrisch-orthodoxen Kirche im Südosten der Türkei - Erzabt em. Birnbacher: "Habe das Zeugnis der Syrisch-orthodoxen Kirche im Tur Abdin als besonders glaubwürdig und hoffnungsvoll erlebt" - Stellvertretender Sektionsleiter Luckmann: Berührt von der "großen Dankbarkeit, die wir für unseren Solidaritätsbesuch erfahren durften"

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 Foto Georg Pulling

Die jüngste Reise einer Salzburger PRO ORIENTE-Delegation in den Tur Abdin hat einerseits den großen spirituellen Reichtum der Syrisch-orthodoxen Kirche deutlich gemacht, andererseits aber auch gezeigt, wie notwendig verstärkte ökumenische und solidarische Beziehungen zwischen den Kirchen sind. Dieses Resümee haben der Salzburger Erzabt em. Korbinian Birnbacher und der stellvertretende Obmann von PRO ORIENTE-Salzburg, Robert Luckmann, gezogen.

"Ich habe das Zeugnis der Syrisch-orthodoxen Kirche im Tur Abdin als besonders glaubwürdig und hoffnungsvoll erlebt", so Erzabt em. Birnbacher. Diese Solidaritätsreise und die zahlreichen Begegnungen mit Menschen, die zum Teil nach Jahrzehnten im westeuropäischen Ausland wieder in ihre angestammte Heimat zurückgekehrt sind, hätten ihm gezeigt, "dass sich eine Kirche - sofern sie sich auf die eigenen Wurzeln und Ursprünge besinnt und dabei offen bleibt für die Entwicklungen der Zeit - ohne Identitätsverlust auch über Jahrhunderte in einem nicht-christlichen Umfeld behaupten kann".

Neben den vielen Begegnungen mit Mönchen, Priestern und Bischöfen der Syrisch-orthodoxen Kirche habe ihn besonders beeindruckt, "dass die sinnenfreudig-lebendige Liturgie über die klerikale Hierarchie hinaus vor allem von Kindern und Jugendlichen sowie von Frauen geprägt ist". Die Pfarren und Klöster, die die Delegation besuchte, seien zwar klein und personell oft nur schwach ausgestattet, "aber es sind Orte, wo sich seit mehr als tausend Jahren Glaube ereignet". Vor allem die Klöster seien "Orte der Kontinuität und des erneuten Aufbruchs, Zellen des lebendigen Glaubens, die generationsübergreifend anziehen und ausstrahlen".

"Ihr habt uns nicht vergessen!"

Robert Luckmann zeigte sich vor allem berührt von der "großen Dankbarkeit, die wir für unseren Solidaritätsbesuch erfahren durften". Immer wieder habe man gehört: "Ihr habt uns nicht vergessen!" Die Menschen hätten bekundet, dass sie dieser Besuch gestärkt habe. Der Besuch habe auch gezeigt, wie sehr der Tur Abdin und besonders das Kloster Mor Gabriel das spirituelle und kulturelle Zentrum des syrisch-orthodoxen Christentums darstellen "und wie stark die in der Welt verstreuten Gläubigen hier verwurzelt sind". 

Erfreut habe man auch erfahren können, dass die Renovierungsarbeiten an den Klöstern des Tur Abdins schon weit gediehen sind und die dortigen Sommerschulen für die syrisch-orthodoxen Jugendlichen aus der Diaspora sehr gut besucht sind. Die Jugendlichen lernen dort die aramäische Sprache und die Traditionen bzw. liturgischen Gesänge der Kirche.

Erwähnenswert sei auch die große Selbstverständlichkeit, mit der im Tur Abdin die christliche Einheit in Vielfalt gelebt wird, so Luckmann: "So konnten wir uns als Schwestern und Brüder der einen Kirche Jesu Christi erleben. Wir haben gemeinsam - ob syrisch-orthodox oder römisch-katholisch - gebetet und gemeinsam an der Feier am Tisch des Herrn teilgenommen."

Im Südosten der Türkei

Eine gemeinsame Delegation der Initiative Christlicher Orient (ICO) und von PRO ORIENTE Salzburg stattete von 26. August bis 1. September dem Tur Abdin einen Solidaritätsbesuch ab. Geleitet wurde die Delegation neben Birnbacher und Luckmann auch von ICO-Obmann Bischofsvikar Slawomir Dadas. Die inhaltliche Leitung lag bei dem Salzburger syrisch-orthodoxen Theologen Aho Shemunkasho.

Höhepunkt des Besuchs war die Teilnahme am Patroziniumsfest des Klosters Mor Gabriel am 30. August. Der festlichen Liturgie stand der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Afrem II. vor, der dieser Tage ebenfalls den Tur Abdin besuchte. Der Patriarch zeigte sich sehr erfreut über die Begegnung mit der Österreich-Delegation. Mehr als tausend Menschen nahmen an dem Fest teil. Viele Christinnen und Christen waren dazu aus ganz Europa in ihre alte Heimat gekommen. Auch viele syrisch-orthodoxe Gläubige aus Österreich waren dabei.

Patriarch Afrem bezeichnete beim Patroziniumsfest das Kloster Mor Gabriel als Herzstück und Heimatland der Syrisch-orthodoxen Kirche. Nicht nur für die Gläubigen vor Ort, sondern für alle syrisch-orthodoxen Christen weltweit sei das Kloster Mor Gabriel bzw. der Tur Abdin von entscheidender Bedeutung für die eigene Identität. Der Patriarch rief die Gläubigen dazu auf, besonders auch jene in der Diaspora, die Verbindung mit dem Mutterland zu halten und die Kirche vor Ort zu unterstützen. 

Besonders würdigte der Patriarch das Engagement von Erzbischof Timotheos Samuel Aktas, der die Erzdiözese Tur Abdin leitet und seit 40 Jahren Abt des Klosters Mor Gabriel ist und damit die Kirche im Tur Abdin auch durch die schwierigsten Zeiten führte.

Erzbischof Timotheos seinerseits bezeichnete beim Festgottesdienst in Mor Gabriel den Besuch des Patriarchen als besondere Freudenzeit für den Tur Abdin. Die Gläubigen vor Ort hätten lange auf diesen Besuch warten müssen, der bisher nicht möglich war. Die Christen im Tur Abdin hätten schwierige Zeiten durchgemacht, so Erzbischof Timotheos. Die Zeiten hätten sich aber gebessert, und nun wolle man optimistisch in die Zukunft gehen.

Die Delegation aus Österreich besuchte zahlreiche Klöster und Dörfer, traf mit den beiden Erzbischöfen Philoxenus Saliba Özmen und Timotheos Samuel Aktas, ebenso aber auch mit vielen Christinnen und Christen vor Ort in den Dörfern zusammen. Die ICO ist seit rund vier Jahrzehnten im Tur Abdin engagiert, und auch die Stiftung PRO ORIENTE hält seit jeher enge Kontakte zur Syrisch-orthodoxen Kirche.

Geschichte des Tur Abdin

Beim Tur Abdin im Südosten der Türkei nahe der Grenze zu Syrien und zum Irak handelt es sich um das spirituelle und kulturelle Zentrum des syrisch-orthodoxen Christentums, dessen Kirchen und Klöster teils bis ins 3. oder 4. Jahrhundert zurückreichen. Mor Gabriel ist der Sitz von Erzbischof Timotheos. Um 1900 soll es im Tur Abdin noch 200.000 Christinnen und Christen gegeben haben. In den 1960er Jahren betrug die Zahl noch rund 75.000. Als Mitte der 1980er Jahre der militärische Konflikt zwischen der kurdischen PKK und dem türkischen Militär ausbrach, saßen die verbliebenen Christinnen und Christen im Tur Abdin zwischen allen Fronten.

Einige christliche Dörfer wurden in Folge vom türkischen Militär zur Gänze geräumt, in anderen gab die christliche Bevölkerung von selbst auf. Viele zogen nach Istanbul, die Mehrheit freilich suchte ihr Glück im Westen: in Deutschland, Schweden, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien oder auch in Österreich. Die Bilanz: Mitte 1997 verblieben im Tur Abdin etwa 2.600 Christinnen und Christen – eine Zahl, die sich bis heute nicht nennenswert verändert hat, obwohl sich die Sicherheitslage inzwischen wesentlich verbessert hat, und die Türkei durchaus Interesse an einer Rückkehr der einstigen Bewohner hätte.