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EU: Kirchen sollten sich stärker in politischen Diskurs einbringen

Linzer PRO ORIENTE-Delegation mit Bischof Scheuer und früherem OÖ-Landeshauptmann Pühringer in Brüssel - Gespräche mit EU-Parlamentsvizepräsident Karas und Antwerpener Bischof Bonny zum Auftakt des Besuchs

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Foto: Kathpress / Georg Pulling

Brüssel, 17.5.23 (poi) Die Kirchen und Religionen müssen sich in den gesamteuropäischen wie regionalen gesellschaftspolitischen Diskurs viel stärker einbringen. Das war der Tenor der Begegnung einer Linzer PRO ORIENTE-Delegation in Brüssel mit Othmar Karas, Vizepräsident des Europaparlaments. Die Delegation wurde von Bischof Manfred Scheuer und dem früheren oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer angeführt. Karas wies in dem Gespräch am Dienstag Positionen zurück, wonach die Kirchen nicht Teil des demokratischen Diskurses sein sollten. Ganz im Gegenteil sehe er die Kirchen in der Pflicht, den Menschen in Grundsatzfragen Orientierung zu geben, so Karas, der im EU-Parlament auch für den strukturierten Dialog mit den Kirchen, Religionsgemeinschaften und Nichtkonfessionellen zuständig ist.

Gerade in Ost- und Südosteuropa spiele Religion eine wesentlich wichtigere Rolle als in Westeuropa, so der EVP-Politiker im Blick auf den EU-Erweiterungsprozess. Wer sich nicht mit Religion, Kultur und Geschichte einer Region auseinandersetze, könne die Situation vor Ort nicht verstehen und mit den örtlichen Verantwortlichen auch keine gemeinsamen Lösungen erarbeiten.

Eindringlich mahnte Karas auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die Zusammenarbeit untereinander zu intensivieren und gemeinsame Positionen gegenüber der europäischen Politik zu vertreten, um Gehör zu finden. Persönlich sei er ein "überzeugter Christdemokrat", so Karas, und er fügte ironisch hinzu: "eine schützenswerte Minderheit".

Vor dem Gespräch mit Karas am Dienstagnachmittag traf die OÖ-Delegation in Brüssel auch mit dem Bischof von Antwerpen, Johan Bonny, zusammen, der einen sehr realistischen Befund der kirchlichen Situation in seiner Heimat präsentierte. Die Finanzierung der Kirche funktioniere in Belgien wesentlich anders als etwa in Österreich. So würden die in der Seelsorge tätigen Geistlichen großenteils vom Staat bezahlt. "Kirchenaustritte" wie in Österreich gebe es deshalb nicht. Doch die Säkularisierung mache vor Belgien nicht Halt, so Bonny. Vielleicht zwei bis drei Prozent aller getauften katholischen Christinnen und Christen besuchten die Sonntagsgottesdienste. Angesichts schwindender finanzieller und personeller Ressourcen seien auch in Belgien Kooperationen über bisherige Pfarrgrenzen hinweg ein Gebot der Stunde.

Im Blick auf den interreligiösen Dialog in Belgien sprach Bonny von guten Beziehungen zur großen jüdischen Glaubensgemeinschaft in Belgien wie auch zu den Muslimen. Bonny, der viele Jahre im vatikanischen Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen tätig war, äußerte sich auch zum Stand der Ökumene. Viele offenen Fragen ließen sich nicht auf universeller Ebene lösen, so seine Erfahrung. Deshalb müsse man die Ökumene stärker regionalisieren. Auf regionaler Ebene müssten konkrete Schritte ausgelotet und dann auch gegangen werden, zeigte sich Bonny überzeugt.

Der Bischof von Antwerpen bekräftigte auch den Vorstoß der flämischen Bischöfe, verstärkt auf homosexuelle Menschen bzw. Paare zugehen zu wollen. Die Bischöfe hatten im vergangenen Jahr ein entsprechendes Schreiben unter dem Titel "Für eine einladende Kirche, die niemanden ausschließt" veröffentlicht. Darin enthalten ist auch ein Vorschlag für entsprechende Gebete und eine Segnungsfeier für gleichgeschlechtliche Paare. Dabei handle es sich freilich nicht um ein Sakrament, hielt Bonny fest.

Er sah die Initiative aber jedenfalls im Sinne von Papst Franziskus, der Situation homosexueller Menschen mehr konkrete Aufmerksamkeit zu schenken. Dies habe der Papst schon 2016 in seinem Schreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie zum Ausdruck gebracht. Ziel der flämischen Bischöfe sei es, "die Seelsorge und Beratung für homosexuelle Menschen strukturell zu verankern". Im Schreiben der Bischöfe ist davon die Rede, eine zentrale Kontaktstelle "Homosexualität und Glaube" einzurichten und zudem in jeder Diözese eine Kontaktperson zu benennen, die sich im Rahmen der Familienseelsorge um das Thema kümmert.

Die Linzer PRO ORIENTE-Delegation hält sich bis Freitag zu einem mehrtägigen Besuch in Brüssel auf. Auf dem Programm stehen u.a. noch Gespräche mit EU-Kommissar Johannes Hahn, Österreichs EU-Botschafter Nikolaus Marschik, dem Apostolischen Nuntius bei der Europäischen Union, Erzbischof Noel Treanor, und Vertretern der EU-Bischofskommission COMECE.

Am Donnerstag feiert die Abordnung aus Oberösterreich die Festmesse zu Christi Himmelfahrt mit der katholischen deutschsprachigen Gemeinde St. Paulus in Brüssel. Auch Begegnungen mit Vertreterinnen und Vertretern anderer christlicher Konfessionen sind geplant.