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Ökumene: Katholische und orthodoxe Theologen tagten im Libanon

Jahrestagung des Irenäus-Arbeitskreises zum 30-Jahr-Jubiläum des Dokuments von Balamand, dessen ökumenisches Potenzial laut dem Arbeitskreis noch lange nicht ausgeschöpft ist

POI 230707

Foto: St.-Irenäus-Arbeitskreis

Beirut, 07.07.23 (poi) Mit dem Dokument von Balamand, das vor 30 Jahren von der offiziellen katholisch-orthodoxen Dialogkommission verabschiedet wurde, liegt ein ökumenisches Arbeitspapier vor, dessen Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist, und das einer engagierteren Weiterbearbeitung bedürfte. Das betonten die Mitglieder des katholisch-orthodoxen Irenäus-Arbeitskreises im Schlusskommunique ihrer diesjährigen Tagung. Die bereits 19. Jahrestagung des Irenäus-Arbeitskreises fand dieser Tage bezeichnenderweise im libanesischen Balamand statt.

Der Irenäuskreis befasste sich mit der Geschichte der Versuche, die Trennung zwischen Katholiken und Orthodoxen zu überwinden, die zum Dokument von Balamand führten, mit dem Dokument selbst und mit seiner späteren Rezeption.

Die wichtigsten Beiträge des Dokuments von Balamand sind laut dem Arbeitskreis die Ablehnung des Proselytismus oder des Uniatismus als Einheitsmodell, die Verurteilung aller Formen von Gewissenszwang, die Anerkennung des Existenzrechts der katholischen Ostkirchen und des Rechts auf Sorge für ihre Gläubigen sowie das Verständnis der orthodoxen und der katholischen Kirche als „Schwesterkirchen“ in apostolischer Sukzession und mit sakramentaler Fülle.

Das Dokument von Balamand selbst enthalte aber keine genauen Definitionen von Uniatismus und Proselytismus. Eine erhebliche Schwäche liege zudem darin, dass die Bedeutung des Begriffs „Schwesterkirchen“ nicht näher erläutert wird. Einerseits hielten ihn einige Orthodoxe für problematisch, weil er die volle Kirchlichkeit der katholischen Kirche impliziere. Andererseits werde in der Note der Glaubenskongregation über den Ausdruck „Schwesterkirchen“ aus dem Jahr 2000 die Auffassung vertreten, dass dieser Begriff die tatsächliche Existenz der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die im Glaubensbekenntnis bekannt wird, verschleiere.

Die Rezeption des Dokuments von Balamand sei in der Folge sowohl bei Orthodoxen als auch bei Katholiken problematisch gewesen, insbesondere im Blick auf das Konzept der „Schwesterkirchen“. Auf orthodoxer Seite reichte das Spektrum der Reaktionen von Zustimmung bis zu scharfer Ablehnung. Im Kommunique wird daran erinnert, dass beispielsweise der rumänisch-orthodoxe Metropolit Antonie Plămădeală das Balamand-Dokument als prophetisch und von Ehrlichkeit und Demut geprägt begrüßt hatte, während die Äbte der Klöster auf dem Berg Athos dieses Dokument heftig kritisierten.

So hielt der Irenäus-Arbeitskreis wörtlich fest: „Zu einem erfolgreichen Dialog zwischen unseren Kirchen gehören auch Fragen der Geschichtsschreibung und der Rezeption. So muss beispielsweise eine gemeinsame Darstellung der Geschichte des Uniatismus, wie sie im Dokument von Balamand gefordert wird, erst noch erstellt werden."

Das Dokument von Balamand habe zwar kein neues Modell der Gemeinschaft vorgeschlagen, aber es habe unter der Überschrift "Praktische Regeln" pastorale Zusammenarbeit angeregt, "die leider nicht vollständig umgesetzt wurde", wie die Theologinnen und Theologen anmerkten. Eine solche Form der pastoralen Ökumene, wie sie sich zum Beispiel in pastoralen Vereinbarungen zwischen Katholiken und Orthodoxen im Libanon und im Nahen Osten zeige, sei "ein vielversprechender Weg, um Gemeinschaft im Leben unserer Kirchen aufzubauen", so die Mitglieder des Irenäus-Arbeitskreises.

Die Rezeption des Dokuments von Balamand im Libanon zeige sich vor allem im pastoralen Bereich, insbesondere bei interkonfessionellen Ehen. Dementsprechend sei es im pastoralen Kontext zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Griechisch-orthodoxen und der Katholischen Kirche einerseits und der Griechisch-orthodoxen und der Syrisch-orthodoxen Kirche andererseits gekommen.

Weiter wird im aktuellen Kommunique des Arbeitskreises darauf hingewiesen, dass der Krieg in der Ukraine neue und ernste Fragen kirchlichen Charakters aufwerfe, darunter die Beziehung zwischen Kirche und Staat, die Verwechslung von Ideologie und Theologie, wie sie in Fällen von Phyletismus in verschiedenen christlichen Traditionen zum Ausdruck komme, und die Verschärfung der Stereotype, die die innerorthodoxen und ökumenischen Beziehungen belasteten. Zu diesen Stereotypen gehörten die Ost-West-Spaltung und die Verwendung des abwertenden Begriffs "Uniaten". Diese Themen könnten aber auch Chancen zu einer Vertiefung des Dialogs bieten, hielten die Theologinnen und Theologen fest.

Dem Irenäus-Arbeitskreis gehören orthodoxe und katholische Theologinnen und Theologen aus aller Welt an. Darunter sind aus Österreich der Wiener Ostkirchenexperte und PRO ORIENTE-Vizepräsident Rudolf Prokschi, der Grazer Ökumene-Experte Basilius Jacobus Bert Groen, der Dekan der Grazer Theologischen Fakultät Pablo Argarate und die in Dresden lehrende österreichische Kirchengeschichtlerin Andrea Riedl, die alle mit PRO ORIENTE eng verbunden sind. Die Mitglieder des Arbeitskreises werden nicht als Delegierte von ihren Kirchen entsandt, sondern aufgrund ihrer theologischen Kompetenz in den Arbeitskreis berufen.

Den Vorsitz des Irenäus-Arbeitskreises haben bislang gemeinsam der katholische Bischof von Magdeburg, Gerhard Feige, und der rumänisch-orthodoxe Erzbischof und Metropolit für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa, Serafim (Joanta), inne gehabt. Wie dem Kommunique zu entnehmen ist, hat Metropolit Serafim in Balamand bekannt gegeben, dass er sein Amt als orthodoxer Ko-Vorsitzender aus Altersgründen niederlegt. Die Mitglieder des Irenäuskreises wählten daraufhin einstimmig ihr langjähriges Mitglied Grigorios Papathomas, seit 2021 Metropolit von Peristeri, zum neuen orthodoxen Ko-Vorsitzenden. Auch Prof. Rudolf Prokschi hat aus Altersgründen seine Mitgliedschaft mit der Jahrestagung in Balamand offiziell beendet. Das nächste Treffen des Irenäuskreises wird im September 2024 in Deutschland stattfinden.