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Ordensmann: Hoffnungszeichen für den interreligiösen Dialog im Irak

Dominikaner Fr. Amir Jaje berichtet in aktueller Ausgabe des PRO ORIENTE-Magazins über Situation im Irak zwei Jahre nach dem Besuch von Papst Franziskus - Neues PRO ORIENTE-Magazin widmet sich dem Thema "Das östliche Christentum und der Islam"

POI 230905

Foto: Pro Oriente Magazin

Wien, 05.09.23 (poi) "Das östliche Christentum und der Islam" lautet der Titel der soeben erschienenen neuen Ausgabe des PRO ORIENTE-Magazins. In mehreren Beiträgen wird dabei auf die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen im Nahen Osten Bezug genommen. Die Zukunft des christlich-muslimischen Zusammenlebens im Irak hat der irakische Dominikaner Fr. Amir Jaje in seinem Beitrag in den Blick genommen. Jaje ist Mitglied des vatikanischen Dikasteriums für den Interreligiösen Dialog und Gründungsmitglied des Irakischen Rats für den Interreligiösen Dialog. Er zeigt sich im PRO ORIENTE-Magazin vorsichtig optimistisch.

Zwei Jahre nach dem Besuch von Papst Franziskus im Irak im März 2021, der einen Wendepunkt in der Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen markiere, könne man bereits greifbare Früchte sehen, so der Dominikaner: "Viele Menschen in Städten und Vierteln, in denen die Bevölkerungsmehrheit muslimisch ist, haben entdeckt, dass es in ihrem Land Christinnen und Christen gibt! Heute empfangen wir viele junge muslimische Besucher sowie Geistliche in unseren Kirchen, als Zeichen der Freundschaft und Geschwisterlichkeit." Auch Politiker seien immer wieder zu Gast, und Weihnachten sei zum offiziellen nationalen Feiertag im Irak erklärt worden.

Der Ordensmann warnt zugleich aber auch, dass die Ideologie der IS-Terrormiliz in den Köpfen einiger Muslime bis heute noch präsent sei. Viele Muslime hätten andererseits aber auch unter dem IS gelitten, "insbesondere diejenigen in Mosul, die wegen der dschihadistischen Kämpfer durch die Hölle gegangen sind". Viele Kinder und Jugendliche seien während der Zeit der IS-Besetzung ihrer Region (2014-2017) einer Gehirnwäsche unterzogen worden, was ein echtes Problem darstelle. Jaje: "Bei diesen von den Dschihadisten indoktrinierten Kindern sind enorme Anstrengungen erforderlich, um das zu reparieren, was der IS in ihren Köpfen zerstört hat."

Seit der Befreiung der Ninive-Ebene vom IS hätten sich mehrere wichtige Fragen ergeben, so Jaje: "Werden Christen, Jesiden und andere Minderheiten in Sicherheit nach Hause zurückkehren können? Wird es für sie noch möglich sein, mit ihren muslimischen Nachbarn, die zu ihrem Leid beigetragen haben, in dieser Region zu leben?"

Der Dominikaner führt einige Hoffnungszeichen für eine bessere Zukunft an: Heute gebe es beispielsweise im Irak immer mehr private christliche Schulen, in denen muslimische und christliche Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen. Mehr als 10.000 christliche, schiitische, sunnitische und andere Schülerinnen und Schüler würden dort gemeinsam unterrichtet.

Ein weiterer Kontext für den sozialen christlich-muslimischen Dialog seien die christlichen Gesundheitseinrichtungen, die zu den besten im Land gehörten. Die Patientinnen und Patienten würden unabhängig von ihrer Herkunft von einem Personal aus christlichen und muslimischen Mitarbeitenden aufgenommen und betreut.

Nach der Befreiung der Ninive-Ebene vom IS seien zudem mehrere soziale Initiativen von Gruppen junger Muslime aus Mosul ergriffen worden, die den anderen religiösen Minderheiten zugutekamen.

Und schließlich gebe es im Irak inzwischen auch mehrere Organisationen, die sich für den interreligiösen Dialog und das friedliche Zusammenleben einsetzen.

Dialog im Libanon

Die libanesische Theologin und Autorin Maria Kabbara schreibt in einem weiteren Beitrag über Perspektiven des christlich-islamischen Dialogs bei Bischof Georges Khodr. Khodr, Theologe, Philosoph und Geistlicher, war von 1970 bis 2018 griechisch-orthodoxer Metropolit der Diözese Berg-Libanon. Am 6. Juli feierte der 1923 in Triopoli geborene seinen 100. Geburtstag.

Der Bischof gilt auch unter Muslimen als ausgewiesener Kenner des Koran. Kabbara: "Bischof Khodr hat nicht das Ziel, den Koran zu nutzen, um Konfliktpunkte zwischen Christentum und Islam zu benennen, sondern er führt mit dem Islam einen Dialog, um ihm zu begegnen. Dabei setzt er Wissen und Respekt sowie das Streben nach einem besseren Leben mit dem Dialogpartner voraus, mit dem man die Heimat teilt. Dieser Partner ist kein anderer als der Muslim/die Muslimin."

Zusammenfassend lasse sich über Wirken und Werk Bischof Khodrs sagen, dass sich arabische Christen und Muslime inmitten von Elend und Ängsten gemeinsam auf einen neuen Sozialvertrag einlassen sollten, der auf Bürgerrechten, Freiheit, Gleichheit und Demokratie beruht. Denn der Christ sei gleichberechtigter Partner des Muslims beim Aufbau der Zukunft. Dieser Sozialvertrag müsse auf der Tagesordnung des christlich-muslimischen Dialogs in der arabischen Welt ganz vorne stehen, damit sich eine gemeinsame christlich-islamische Vision herauskristallisieren kann, mit deren Hilfe der Geist von Fanatismus und Sektierertum vernichtet werden könnte, so Kabbara.

Das dreimal jährlich erscheinende PRO ORIENTE-Magazin kann zum Preis von 18 €/Jahr (Österreich) bzw. 24 €/Jahr (Ausland) abonniert werden. Einzelexemplare sind für 6 € erhältlich (Bestellungen an: office@pro-oriente.at).