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Patriarch Bartholomaios: Plädoyer für Wiederbelebung des christlichen Europas

Ökumenischer Patriarch hielt bei Vollversammlung der "Konferenz Europäischer Kirchen" (KEK) in Tallin Grundsatzrede – Orthodoxer Erzbischof Nikitas von Großbritannien neuer KEK-Vorsitzender

POI 230620

Fotos: Albin Hillert / CEC

Tallin, 20.06.23 (poi) Alle christlichen Kirchen sind aufgerufen, sich gemeinsam für ein Europa einzusetzen, das auch weiterhin auf christlichen Werten basiert. Das hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. betont. Er äußerte sich in einer Grundsatzrede auf der Vollversammlung der "Konferenz Europäischer Kirchen" (KEK), die am Dienstag im estnischen Tallin zu Ende ging. Die Konferenz stand unter dem Motto "Mit Gottes Segen die Zukunft gestalten". Patriarch Bartholomaios führte in seiner Rede aus, was er unter diesen christlichen Werten versteht und wie er sich die ökumenischen Beziehungen zwischen den Kirchen vorstellt.

"Wir sollten auf eine Zivilgesellschaft in Europa hoffen und uns für sie einsetzen, in der das Gemeinwohl jegliche Grenzen überwindet. Wir sollten auf ein Europa hinarbeiten, in dem Christen - und alle Menschen guten Willens - sich für Gerechtigkeit einsetzen und Fremde aufnehmen. Wir sollten uns auf die christliche Berufung besinnen, den Armen das Evangelium zu verkünden, die Gebrochenen zu heilen, den Blinden das Augenlicht wiederzugeben, den Gefangenen die Freiheit zu verkünden und die Unterdrückten zu befreien", so der Patriarch wörtlich. Das sei der richtige Weg zur Wiederbelebung eines christlichen Europas.

Zugleich warnte der Patriarch vor der Versuchung, sich angesichts der vielfältigen Bedrängnisse, denen die Kirchen ausgesetzt sind, mit den politischen autoritären Mächten des Kontinents in ein Boot zu setzen.

In den letzten Jahrzehnten und insbesondere seit der Gründung der Europäischen Union sei viel von den christlichen Wurzeln Europas bzw. einem christlichen Europa die Rede gewesen. Die jüngsten Migrationsbewegungen hätten diese Proklamationen noch verstärkt, "auch von denen, die dies eher aus nationalistischen als aus christlichen Gründen tun".

Die Idee eines christlichen Europas rufe Bilder einer idealisierten Vergangenheit und sogar einer idealisierten christlichen Kultur hervor, warnte der Patriarch: "Das Christentum hat Europa jahrhundertelang beherrscht und dem europäischen Volk viel Gutes gebracht - seine Gesetze, seine Kultur und seine Bräuche. Aber die Idee eines christlichen Europas hat auch zu Gewalt zwischen den christlichen Kirchen geführt, als sie darum kämpften, welches Christentum Europa dominieren würde", plädierte Bartholomaios für eine differenzierte Sicht.

In der Ökumene müsse es darum gehen, Unterschiede anzuerkennen und zu respektieren und zugleich immer wieder neu die Frage zu stellen, "was wir unter einem christlichen Europa in einer demokratischen Europäischen Union verstehen". Gleichzeitig stelle sich die Frage, "wie wir ein christliches Europa in der gegenwärtigen politischen Landschaft verwirklichen können, in der viele westliche Nationen religiöse und nationale Identitäten voneinander getrennt haben, einige östliche Länder religiöse und nationale Identitäten wieder miteinander verbunden haben, während in anderen Ländern sogar ein Anstieg des Autoritarismus zu beobachten ist". Für die Ökumene wie für Europa gelte, dass es Achtung voreinander und Achtung vor der Vielfalt geben müsse, zeigte sich der Ökumenische Patriarch überzeugt.

Am Montag wurde bei der KEK-Vollversammlung der griechisch-orthodoxe Erzbischof Nikitas von Thyateira und Großbritannien zum neuen KEK-Vorsitzenden gewählt. Er steht nicht nur den Gläubigen des Ökumenischen Patriarchats in Großbritannien vor, sondern ist u.a. auch Koordinator der Task Force des Ökumenischen Patriarchats gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei. Erzbischof Nikitas plädierte in der Ansprache nach seiner Wahl eindringlich für noch mehr ökumenische Zusammenarbeit, wie die KEK in einer Aussendung am Montagabend mitteilte.

Der KEK gehören 113 orthodoxe, anglikanische, altkatholische, lutherische, reformierte, unierte und methodistische Kirchen Europas an. Die KEK repräsentiert rund 380 Millionen Christinnen und Christen. Die Russisch-orthodoxe Kirche hat sich allerdings schon 2008 wegen eines Konflikts um die Orthodoxe Kirche in Estland aus der aktiven Zusammenarbeit mit der KEK zurückgezogen.