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PRO ORIENTE: Die Grenzen der eigenen Kirchen überwinden

Aktuelles PRO ORIENTE-Magazin beleuchtet Initiativen der jüngeren Vergangenheit, die - von Jugendlichen bis zu Patriarchen - die Kirchen einander näher brachten

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Wien, 15.05.23 (poi) Mit exemplarischen ökumenischen Projekten der jüngeren Vergangenheit beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe des PRO ORIENTE-Magazins. Ein eindringliches Plädoyer für die Ökumene kommt beispielsweise von den jungen Erwachsenen, die im Jänner/Februar in Österreich an einem internationalen PRO ORIENTE-Workshop teilgenommen hatten. Eine der Teilnehmerinnen, Sophia Al-Bqaeen, hat in einem Beitrag die gemeinsame Überzeugung der jungen Erwachsenen zusammengefasst: "Wir halten es für notwendig, bei unseren Kirchenleitern und Jugendlichen für ökumenische Offenheit zu werben sowie die Rolle der Jugendlichen in ihren Gemeinden zu aktivieren." Dabei wolle man sowohl alle verfügbaren Medien wie auch persönliche Kontakte nützen.

Es sei wichtig, "mehr Miteinander über die Grenzen unserer Kirchen hinweg zu fördern, um zusammen die Barriere der Angst zu überwinden, sich für Menschlichkeit und Rechte einzusetzen, die sich aus unserer gemeinsamen Staatsbürgerschaft ergeben".

Beim Besuch in Österreich hätten die Jugendlichen den Geist der Ökumene erleben dürfen und festgestellt, "dass sie in der Tat ein erreichbares Ziel ist, solange wir sie in unserem Herzen tragen und mit anderen teilen". Und, so Al-Bqaeen: "Gemeinsam, als christliche Jugendliche mit unserer gemeinsamen Leidenschaft, können wir die treibende Kraft für mehr Solidarität und Geschwisterlichkeit in unseren Kirchen sowie für mehr christliche Präsenz in unseren Gesellschaften sein. Schließlich bildet unser Naher Osten mit seiner großen Vielfalt ein wunderschönes Mosaik, in dem Ökumene gesucht und erreicht werden kann."

Rund 25 christliche junge Frauen und Männer aus dem Nahen Osten hatten an dem dreitägigen Workshop in St. Pölten teilgenommen. Die Teilnehmenden stammten aus den verschiedenen Ländern des Nahes Ostens, Sophia Al-Bqaeen beispielsweise aus Jordanien. Mit dabei in St. Pölten waren Angehörige der Anglikanischen, Armenisch-apostolischen, Chaldäisch-katholischen, Griechisch-orthodoxen, Koptisch-orthodoxen, Lutherischen, Maronitisch-katholischen, Melkitisch-katholischen, Presbyterianischen, Römisch-katholischen, Syrisch-katholischen und Syrisch-orthodoxen Kirche.

Der Österreich-Besuch der jungen Christinnen und Christen war der vorläufige Höhepunkt der ökumenischen Jugendinitiative, die von PRO ORIENTE und der "We choose abundand Life"-Gruppe getragen wird. Schon im vergangenen Jahr konnten insgesamt rund 150 Jugendliche an sechs Workshops in Ländern des Nahen Ostens teilnehmen. Das Projekt wird heuer mit weiteren Workshops im Nahen Osten fortgesetzt.

Historischer Patriarchengipfel

Von einer "historischen Begegnung", nämlich dem überhaupt ersten Treffen der Oberhäupter der verschiedenen orthodoxen und katholischen Kirchen syrischer Tradition, berichtet die Wiener Ostkirchen-Expertin Anna Hager in einem weiteren Beitrag. Am 16. Dezember 2022 fand dieses Treffen auf Einladung des syrisch-orthodoxen Patriarchen Ignatius Aphrem II. im libanesischen Atschaneh statt. Zum Abschluss veröffentlichten die Patriarchen Ignatius Aphrem II. (syrisch-orthodox), Ignatius Josef III. (syrisch-katholisch), Kardinal Bishara Boutros al-Rai (maronitisch-katholisch), Kardinal Louis Raphael Sako (chaldäisch-katholisch) sowie Katholikos-Patriarch Awa III. (assyrisch) eine gemeinsame offizielle Stellungnahme. Kardinal Sako war via Zoom zugeschaltet und vor Ort durch Bischof Najib Mikhail (Mosul) vertreten.

Die Stellungnahme, die auf Arabisch, Englisch und Syrisch veröffentlicht wurde, ist in sechs Teile gegliedert. Sie befasst sich mit der syrischen Spiritualität, der syrischen Präsenz im Nahen Osten und mit den wachsenden syrischen Diasporagruppen. Anschließend wird auf das gemeinsame Zeugnis und das gemeinsame syrische Erbe eingegangen. Die Stellungnahme endet mit einer Fürbitte.

Das Treffen der syrischen Patriarchen soll jährlich wiederholt werden. Es kann, wie Hager schreibt, als historisch betrachtet werden, "weil einerseits die bedeutenden Differenzen nicht mehr als Hindernis betrachtet werden, sondern anerkannt und gewürdigt werden. Andererseits bekennen sich auch jene Kirchen, die eine historisch ausgeprägtere arabische Identität haben (die chaldäische, die maronitische) zu einem gemeinsamen syrischen Erbe."

In den ausgedrückten Sorgen um die verstreuten Gläubigen enthalte die Stellungnahme (verständlicherweise) wenig Neues, "sondern ähnelt anderen Äußerungen von Kirchenoberhäuptern der Region aus den vergangenen Jahren", so Hager.

Synodalität in den Ostkirchen

Im dritten Beitrag des Magazins blickt PRO ORIENTE-Generalsekretär Bernd Mussinghoff auf die drei internationalen ökumenischen Konferenzen im November 2022 in Rom zurück, die sich mit orthodoxen und orientalischen Theologien, Praktiken und Erfahrungen von Synodalität befassten. Die Konferenzen zielten auf eine Vernetzung des synodalen Prozesses der katholischen Kirche mit den Ostkirchen ab. Veranstalter waren PRO ORIENTE und das Institut für Ökumenische Studien (IES) der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum).

Die drei Konferenzen waren auch der Ausgangspunkt für den PRO ORIENTE-Dokumentarfilm "Listening to the East", der am 6. Juni im Wiener Kino am Spittelberg (Spittelberggasse 3, 1070 Wien) seine Premiere feiert. Mit dem Film soll die Vielfalt synodaler Praktiken und Strukturen im Leben der orthodoxen und orientalischen Kirchen einem breiten Publikum nähergebracht werden. Für das Filmprojekt konnte PRO ORIENTE den renommierten Filmemacher Robert Neumüller gewinnen, der den Film gemeinsam mit PRO ORIENTE-Referentin Viola Raheb gestaltete und produzierte.