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Rom: Wertvolle synodale Erfahrungen der Kirchen der syrischen Traditionen

Tagung "Listening to the East - Synodality in the Syriac Orthodox and Church of the East Traditions" abgeschlossen - Wissenschaftlicher Leiter Prof. Winkler zieht positives Resümee

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Ein positives Resümee der Tagung "Listening to the East - Synodality in the Syriac Orthodox and Church of the East Traditions" hat der Salzburger PRO ORIENTE-Vorsitzende Prof. Dietmar Winkler gezogen. Die Tagung in Rom, die am Donnerstagabend zu Ende gegangen ist, war den synodalen Traditionen der Syrisch-orthodoxen Kirche und der Kirche des Ostens gewidmet.

Prof. Winkler wies in seinem Resümee u.a. darauf hin, dass die unterschiedlichen geografischen Kontexte auch die Synodalität innerhalb einer Kirche beeinflussten. Er verdeutlichte dies am Beispiel der Syrisch-orthodoxen Kirche von Malankara in Südindien, die innerhalb der Syrisch-orthodoxen Kirche einen autonomen Status hat. In Indien seien Laien bzw. Frauen stärker in die kirchlichen Strukturen einbezogen als in anderen Ländern.

Deutlich geworden sei auch, dass die Frage einer besseren Beteiligung von Frauen am kirchlichen Leben und an kirchlichen Entscheidungsprozessen in allen Kirchen aufkomme: "Wie können theologisch hoch gebildete Frauen, wie es sie vor allem im Westen immer mehr gibt, in solche Entscheidungsprozesse integriert werden?", so Winkler. Diese Frage stelle sich immer stärker.

Rund 80 Interessierte, darunter zahlreiche Bischöfe sowie Theologinnen und Theologen aus den unterschiedlichen orientalischen Kirchen, nahmen an der Tagung teil. Prof. Winkler, der wissenschaftliche Leiter der Tagung, hob hervor, dass nicht nur die Katholische Kirche von den Erfahrungen der syrischen Kirchen lernen könne, sondern auch die Kirchen untereinander von den Erfahrungen der jeweils anderen profitierten. Vor allem die Diaspora sei auch ein Motor für Veränderungen und Weiterentwicklungen.

Der Assyrische Katholikos-Patriarch Mar Awa III. hatte schon in seinem Eröffnungsvortrag am Mittwochabend die Theologie der Synodalität in der Kirche des Ostens erläutert. Bischof Mar Paulus Benjamin präsentierte am Donnerstag das Verständnis und die Erfahrungen von Synodalität im praktischen Leben der Kirche des Ostens.

Mar Awa III. hatte in seinem Vortrag dargestellt, dass er seinen Primat nur in Gemeinschaft mit dem Heiligen Synod - der Versammlung der Bischöfe - ausüben könne. Im Heiligen Synod seien nur die Bischöfe vertreten, diese würden sich vor den Sitzungen aber mit ihrem lokalen Klerus beraten und absprechen, welche Themen bzw. Positionen sie einbringen sollten. Der niedere Klerus bzw. die Laien würden ihre Anliegen in der Regel über ihre Diözesanbischöfe in die Heilige Synode einbringen, bei gravierenden Angelegenheiten würden sie sich aber auch direkt an den Patriarchen oder das Synodensekretariat wenden.

Bischof Mar Paulus Benjamin stellte dar, dass es in jeder Diözese der Kirche des Ostens einen eigenen Diözesanrat gebe, dem alle Pfarrer sowie aus jeder Pfarre zwei Laienvertreter angehören. Der Diözesanbischof stehe dem Gremium vor. In den Pfarren gebe es ebenfalls einen eigenen Pfarrgemeinderat, dem die von der Gemeinde gewählten Laienvertreter angehören. Diesem Gremium, das alle zwei Jahre gewählt wird, komme laut Kirchenverfassung beratender Charakter zu.

Wie der US-amerikanische Diakon Peter Azzo im Workshop über Erfahrungen von Synodalität im Blick auf die Laien im kirchlichen Leben ausführte, wurden erst unter Patriarch Mar Dinkha IV. in den 1970er-Jahren auch Frauen als Mitglieder in den Pfarrgemeinderäten zugelassen. Die Synodenväter wollten damit sicherstellen, dass auch Frauen in die Entscheidungsprozesse auf lokaler Ebene einbezogen sind. Azzo fügte hinzu, dass die überwiegende Mehrheit der in der Kirche des Ostens engagierten Laien Frauen seien, und dies inzwischen auch in den höchsten für Laien möglichen Leitungsämtern.

Salaam Somi von der Syrisch-orthodoxen Kirche und Nisha M. Thomas von der Assyrischen Kirche des Ostens beleuchteten im Workshop über Erfahrungen von Synodalität mit Blick auf Frauen unter anderem die kirchliche Tradition der Weihe von Diakoninnen, die in beiden Kirchen fest verankert war und bereits für das 3. Jahrhundert bezeugt ist. Im Laufe der Zeit sei dieses kirchliche Amt aber wieder verschwunden, wobei unterschiedliche, zum Teil dramatische historische Entwicklungen sowie die jeweiligen kulturellen und politischen Kontexte eine Rolle gespielt hätten. Das Amt sei aber nie formell abgeschafft worden, und in beiden Kirchen gebe es seit einigen Jahren wieder Diakoninnen, jedoch noch sehr wenige.

Prof. Winkler erläuterte mit Blick auf beide Kirchen, dass diese im Ersten Weltkrieg durch den Völkermord an den Christinnen und Christen im Osmanischen Reich fast ausgelöscht worden wären. Speziell bei der von diesem Völkermord besonders getroffenen Kirche des Ostens habe es Jahrzehnte gedauert, bis sie sich personell und institutionell konsolidieren konnte. Erst in der Zeit von Katholikos-Patriarch Mar Dinkha IV. (1976-2015) sei dies endgültig gelungen, ein "Aufholprozess" sei gestartet worden – auch im Blick auf die Beteiligung von Frauen am kirchlichen Leben.

Syrisch-orthodoxe synodale Strukturen

Die synodalen Strukturen der Syrisch-orthodoxen Kirche beschrieb Mor Polycarpus Aydin, syrisch-orthodoxer Metropolit der Niederlande. Die Heilige Synode, der der Patriarch vorsteht, sei das höchste Entscheidungsgremium der Kirche in allen religiösen, spirituellen und auch legislativen und administrativen Angelegenheiten. Entscheidungen der Synode müssten entweder mit Mehrheit oder einstimmig getroffen werden, je nach Gegenstand.

In der Syrisch-orthodoxen Kirche habe auch jede Diözese ihren eigenen Diözesanrat, der sich aus Geistlichen und Laien zusammensetze, und dem der jeweilige Bischof vorstehe. Die Mitglieder des Rates würden von den Pfarren gewählt. Auch in den Pfarren gebe es wiederum Pfarrgemeindeversammlungen, in denen die Laien sehr stark vertreten sind. Diese Institutionen hätten im 20. Jahrhundert an Bedeutung gewonnen, so Bischof Polycarpus.

In der Heiligen Synode seien nur die Bischöfe vertreten, die sich aber vor der Versammlung mit ihren Diözesanräten beraten würden. Die letzte Entscheidung über die Agenden, über die die Synode berät, liege beim Patriarchen bzw. seinem Generalsekretariat.

In weiteren Workshops beschäftigten sich die Konferenzteilnehmenden am Donnerstag mit Erfahrungen von Synodalität speziell auch mit Blick auf die Jugend und auf das monastische Leben/den Klerus.

Über Synodalität in regionalen ökumenischen Netzwerken sprachen die Theologin und frühere Generalsekretärin des Nahost-Kirchenrats, Prof. Souraya Bechealany, sowie Ruth Mathen von den "Christian Conference of Asia". Mathen erläuterte, wie in der bereits 1959 gegründeten "Christian Conference of Asia" (CCA) Synodalität gelebt werde. In der CCA seien 98 Mitgliedskirchen zusammengeschlossen, die auf nationaler Ebene in 17 ökumenischen Kirchenräten zusammenarbeiteten, die insgesamt über 45 Millionen Christinnen und Christen vertreten, vor allem aus dem Bereich der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen sowie der orientalischen Kirchen.

Territorial seien die Mitgliedskirchen über ein Gebiet verstreut, das sich vom Iran im Westen bis nach Japan im Osten, von Nepal im Norden bis nach Neuseeland im Süden erstrecke. Ruth Mathen beeindruckte mit ihrem Vortrag die Zuhörenden, u.a. auch durch Videostatements von jungen Programmteilnehmenden und Mitarbeitenden der CCA über die dort erfahrene und praktisch gelebte Synodalität, sowie durch eine Präsentation asiatisch-kontextuell geprägter christlicher Kunstwerke und in der CCA erlebten gemeinsamen Gesang, den sie live vortrug.

Prof. Bechealany stellte in ihrer Präsentation den Nahost-Kirchenrat (Middle East Council of Churches, MECC) als gelebte Erfahrung von Zusammengehörigkeit und Synodalität dar. In ihm seien Kirchen aus vier unterschiedlichen "Familien" genannten Zweigen vertreten: Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, katholische Kirchen (einschließlich mehrerer katholischer Ostkirchen), orthodoxe Kirchen und orientalisch-orthodoxe Kirchen. Von den in der Region des Nahen Ostens vertretenen Kirchen sei lediglich die Kirche des Ostens kein Mitglied. Neben der Präsentation des MECC als institutionellem Ausdruck gelebter Synodalität stellte Bechealany auch drei regionale Initiativen als gelebte Erfahrungen von Synodalität im Nahen Osten vor, darunter das katholisch-orthodoxe Pastoralabkommen aus dem Jahr 1996, die Initiative "Wir wählen das Leben in Fülle" (We choose abundant life) aus dem Jahr 2021 sowie die Spezial-Synode der Maronitischen Kirche zur Rolle der Frau in der Kirche, die 2020 begann und noch bis 2023 andauern wird.