Rom: "Wiener Christologische Formel" wegweisend für ökumenischen Dialog
Panel der Stiftung PRO ORIENTE beleuchtete bei internationaler Nicäa-Tagung im römischen Angelicum Beispiel der Wiener Formel aus dem Jahr 1970/71 für den theologischen Dialog bis in die Gegenwart

Die Bedeutung der "Wiener Christologischen Formel" für die Ökumene stand im Zentrum eines von der Stiftung PRO ORIENTE verantworteten Panels bei einer internationalen Nicäa-Tagung in Rom. Geleitet wurde das Panel von der Kirchenhistorikerin Prof. Andrea Riedl, Vorträge hielten Prof. Dietmar Winkler, Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg und Leiter der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion, sowie der syrisch-orthodoxe Metropolit der Niederlande, Mor Polycarpus Aydin.
PRO ORIENTE initiierte 1970/71 einen inoffiziellen Dialog zwischen römisch-katholischen und orientalisch-orthodoxen Theologen. Schon 1971 gelang dabei mit der "Wiener Christologischen Formel" ein beachtlicher Erfolg. Durch die Überwindung von terminologischen und kulturell-politisch bedingten Missverständnissen konnte der Versöhnung zwischen römisch-katholischer Kirche und orientalisch-orthodoxen Kirchen ein Weg gebahnt und die Übereinstimmung in zentralen Glaubensinhalten bekundet werden. Wie bei der Tagung deutlich wurde, habe dies nicht nur für den Dialog zwischen der katholischen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen Fortschritte ermöglicht, sondern auch für den Dialog zwischen den byzantinisch-orthodoxen und orientalischen Kirchen.
Für Prof. Winkler ist aus dem Beispiel der Wiener Formel die Lehre zu ziehen, dass man eine Hermeneutik entwickeln müsse, "die es uns ermöglicht, unterschiedliche theologische Ansätze zu verstehen - mit derselben Glaubenssubstanz". Es gelte, im theologischen Dialog immer darauf zu achten, "was der theologische Partner mit seiner Terminologie und seinen Aussagen ausdrücken will, und nicht, was wir selbst darunter verstehen", so Winkler in seinem Vortrag. Das jeweilige hermeneutische Vorverständnis könne durchaus unterschiedlich sein und zu Missverständnissen führen. Das erfordere Geduld und Beharrlichkeit und den Willen zum Dialog.
Vertrauen und theologische Tiefe
Die Wiener Christologische Formel sei ein entscheidender Moment auf dem Weg zur Versöhnung und gegenseitigen Anerkennung zwischen den alten Kirchen des Ostens und des Westens, hielt auch Bischof Polycarpus in seinen Ausführungen fest. Die Formel bzw. der Prozess, der zu ihrer Verabschiedung führte, hätten gezeigt, dass die Überbrückung historischer Spaltungen möglich sei. Die Formel wurde zudem auch zu einem Referenzpunkt in den weiteren theologischen Dialogen zwischen den byzantinisch-orthodoxen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen und habe den Weg für eine vertiefte Zusammenarbeit geebnet, basierend auf gegenseitigem Vertrauen und theologischer Tiefe.
Die Wiener Formel mache deutlich, dass ein Großteil der historischen Kontroverse eher auf sprachliche und philosophische Missverständnisse als auf echte theologische Divergenzen zurückzuführen ist. Die Formel sei ein Beispiel dafür, wie gegenseitige Anerkennung und theologische Versöhnung durch geduldigen, inoffiziellen Dialog erreicht werden können. Sie sei ein wertvolles Modell für die Behandlung anderer strittiger theologischer Fragen, so Mor Polycarpus.
Schätze der Kirchen- und Theologiegeschichte
Ähnlich äußerte sich auch PRO ORIENTE-Generalsekretär Bernd Mussinghoff in einem Resümee gegenüber dem PRO ORIENTE-Informationsdienst. Mit der "Wiener Christologischen Formel" sei eine wichtige Basis für die Überwindung einer mehr als 1.500 Jahre alten Kirchenspaltung gefunden worden. Der Wortlaut der Formel sei dabei nicht neu, sondern gehe auf die Zeit des Konzils von Chalcedon (451) zurück, bzw. auch noch in die Zeit davor, basierend auf dem beim Konzil von Nizäa definierten Glaubensbekenntnis. "Es lassen sich also in der Kirchen- und Theologiegeschichte Schätze finden, die hilfreich für die Überwindung bestehender Trennungen sein oder werden können", so Mussinghoff.
Worauf es ankomme, sei nicht nur wissenschaftliche Expertise und Exzellenz, sondern auch ein ökumenisch behutsamer Umgang mit den theologischen Quellen, "der im Dialog ausgebildet und verfeinert wird, wie ihn PRO ORIENTE seit Bestehen der Stiftung gepflegt hat". Dem wisse sich die Stiftung auch künftig verpflichtet, so Mussinghoff.
Wörtlich lautet die "Wiener Christologische Formel": "Wir glauben, dass unser Gott und Erlöser, Jesus Christus, Gottes fleischgewordener Sohn ist; vollkommen in seiner Gottheit und vollkommen in seiner Menschheit. Seine Gottheit war von seiner Menschheit nicht einen Augenblick getrennt. Seine Menschheit ist eins mit seiner Gottheit, ohne Vermischung, ohne Vermengung, ohne Teilung, ohne Trennung. Im gemeinsamen Glauben an den einen Herrn Jesus Christus betrachten wir sein Geheimnis als unausschöpflich und unaussprechbar, für den menschlichen Geist weder voll zu verstehen noch auszudrücken."
Die bis Samstag anberaumte Tagung in Rom steht unter dem Generalthema "Nizäa und die Kirche für das dritte Jahrtausend". Veranstalter sind das Ökumene-Institut der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) und die Internationale orthodoxe theologische Vereinigung IOTA. Das Symposion steht unter der Schirmherrschaft des vatikanischen Ökumene-Dikasteriums.