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Theologe: Konzil von Nizäa für orthodoxe Identität bis heute zentral

Prof. Ioan Moga in Beitrag für Sammelband "Nizäa - Das erste Konzil" über Bedeutung des ersten Konzils für heutige orthodoxe Glaubenspraxis, Frömmigkeit und Theologie

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Foto: wikimedia / gemeinfrei

Wien, 29.07.25 (poi) Das Konzil von Nizäa im Jahr 325 spielt im Selbstverständnis der Orthodoxen Kirche eine "zentrale, fest verankerte" Rolle und gehört zum Grundnarrativ orthodoxer Identität. Das betont der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe Prof. Ioan Moga in einem Beitrag für den Sammelband "Nizäa - Das erste Konzil". Moga führt die zentrale Bedeutung des Konzils für die heutige orthodoxe Glaubenspraxis, Frömmigkeit und Theologie aus.

Zentral seien das nizänische Glaubensbekenntnis, allerdings in seiner erweiterten Form des Nizäno-Konstantinopolitanums, die nizänische Trinitätstheologie sowie die Kanones (kirchenrechtliche Normen), die bis heute eine latente Gültigkeit haben. Nizäa lebe in der Kirche auch stark in der Ikonografie weiter, wie die anderen sechs ökumenischen Konzilien auch. Bis heute würden in neuen Kirchen die Bilder der sieben Konzilien, die sich in der spätbyzantinischen Ikonografie herausgebildet haben, auf die Wände gemalt. Sie gehörten zum ikonografischen Standardprogramm.

Auch das Kirchenjahr kenne mehrere Festtage, die den ökumenischen Konzilien gewidmet sind. Als spezieller Gedenktag für die Väter des ersten Konzils gelte der Sonntag nach Christi Himmelfahrt. Die byzantinische Hymnografie (Hymnenlehre) dieses Festes biete die beste Einführung in die bleibende Bedeutung des Konzils für das Glaubensleben der Orthodoxen Kirche, so Moga.

Hinzu kämen eine reiche Predigt-Fundgrube und in der Hagiografie (Erforschung und Beschreibung von Heiligenleben) seien die Väter von Nizäa der Inbegriff der "idealisierten Synthese von Heiligkeit, Wunderwirksamkeit und Rechtgläubigkeit". Schließlich weist Moga auch auf die sozialethische Komponente hin: "Die viel diskutierte Kirche-Staat-Symphonie im orthodoxen Kontext findet in der bleibenden Verklärung des Wirkens Konstantins des Großen rund um Nizäa eine starke Referenz und Rechtfertigung."

Nichts Neues seit 100 Jahren?

All das bisher Gesagte, so muss Moga allerdings einräumen, hätte man auch schon vor 100 Jahren beim 1.600-Jahr-Jubiläum des Konzils sagen können. Damit will er es aber nicht belassen und versucht herauszuarbeiten, inwieweit sich das Nizäa-Bild der Orthodoxen Kirche in den vergangenen 100 Jahren nicht doch zumindest ein wenig verändert hat. Hymnografie und Ikonografie würden für seine These allerdings ausfallen, auch in der Homiletik habe sich nichts verändert. So bleibe die Theologie bzw. der theologische Diskurs.

In dieser Hinsicht habe die Orthodoxie im 20. Jahrhundert durch die verschiedenen ökumenischen Dialoge gelernt, eine komplementäre hermeneutische Schwerpunktsetzung in der Trinitätslehre zu akzeptieren. Konfessionelle Andersheit sei nicht mehr gleichzusetzen mit Häresie, zumal auch die anderen Konfessionen die Entscheidungen von Nizäa bejahen würden.

Ebenso habe sich herauskristallisiert, dass die ökumenischen Konzilien Teil des Kerygmas (Verkündigung) der Kirche sind, und nicht des Dogmas, so Moga: "Das, was sie verkündigen, ist ein Mysterium - das Mysterium des dreieinigen Gottes und das Mysterium der Menschwerdung." Er werde in der orthodoxen Theologie nicht der Begriff "Dogma" bemüht, wohl auch in Abgrenzung zur katholischen Kirche. Mit anderen Worten: Es werde die soteriologische Erfahrungsdimension der Formulierungen betont, die zum Mysterium dahinter führen sollen.

Moga zeichnet in Folge einige innerorthodoxe theologische Diskurse zum Konzil nach, verbunden mit den Theologen Ioan I. Ica Jr. (geb. 1960), Ioannis Zizioulas (1931-2023), Nikolaos Loudovikos (geb. 1959) und John Behr (geb. 1966). Er hält zudem fest: "Je unkritischer die Sakralisierung der politischen Rolle Konstantins weitertradiert wird, desto schwieriger ist es, den eigentlichen pneumatologischen Anspruch der ökumenischen Konzilien überzeugend zu vermitteln. Der Heilige Geist war dort am Werk nicht 'wegen' oder gar 'dank' großer Kaiser, sondern 'trotz' dieser politischen Implikationen. Dieses 'trotz' darf wiederum nicht zu einem Dualismus führen, zumal auch wir heutzutage als Theologinnen und Theologen nicht weniger kulturell-kontextuell bedingt und limitiert sind als ein Athanasius oder Basilius."

Der Sammelband "Nizäa - Das erste Konzil" beinhaltet die Beiträge eines wissenschaftlichen Symposions von 4. bis 6. November 2024 in Wien. Die Tagung wurde gemeinsam von der Katholisch-Theologischen und der Evangelisch-Theologischen Fakultät ausgerichtet und stand unter dem Titel "Streitfall Nizäa?" Beleuchtet wurden die historischen Quellen und die Rezeption durch die Kirchen- und Theologiegeschichte sowie die bleibende ökumenische Relevanz dieses Konzils. Die beiden federführenden Initiatoren der Tagung, die evangelische Theologin und Dekanin, Prof. Uta Heil, und der katholische Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück, fungieren auch als Herausgeber des Buches.

Uta Heil und Jan-Heiner Tück (Hg.): Nizäa - Das erste Konzil. Historische, theologische und ökumenische Perspektiven. Herder-Verlag 2025.