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Ukrainisch-katholische Kirche: Experte erwartet reibungslose Umstellung des Kirchenkalenders

Wiener Theologe Prof. Nemeth: Für die Entscheidung der Ukrainisch Griechisch-katholischen Kirche ist der Krieg Russlands ein wesentlicher Motor, sie ist aber auch schon länger gereift

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Von einer weitgehend reibungslosen Umstellung des Kirchenkalenders in der Ukrainisch Griechisch-katholischen Kirche (UGKK) geht der Wiener Ostkirchenexperte Prof. Thomas Nemeth aus. Die jüngste Entscheidung der Kirchenleitung bedeute für einen Großteil der Gläubigen einen Anschluss an die große Mehrheit der Christen und eine Distanzierung von der "russischen Welt", so Nemeth gegenüber dem PRO ORIENTE-Informationsdienst. Für diese Entscheidung sei der Krieg Russlands ein wesentlicher Motor, sie sei aber auch schon länger gereift. Es habe in den vergangenen Jahren immer vor Weihnachten kircheninterne Diskussionen gegeben, welchen Sinn es habe, dem astronomischen Kalender 13 Tage nachzuhinken. Es gab also Forderungen "von unten", Großerzbischof Schewtschuk und die Bischöfe hätten sich freilich längere Zeit abwartend verhalten und darauf verwiesen, dass man die orthodoxe Mehrheit im Land berücksichtigen sollte. Beinahe 90 Prozent der Gläubigen in der Ukraine hätten laut dem Großerzbischof den Kalenderwechsel nun aber unterstützt.

Ab dem 1. September 2023 wird die UGKK die unbeweglichen Feste wie Weihnachten nach dem Gregorianischen Kalender feiern, die beweglichen Feste, allen voran Ostern, werden auch weiterhin nach dem Julianischen Kalender begangen. Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk hat die Entscheidung dieser Tage bekannt gegeben. Für jene Pfarreien oder Einzelgemeinschaften, die sich zu einem solchen Schritt noch nicht bereit fühlen, gibt es laut Großerzbischof eine Übergangsfrist bis 2025. Die Bischöfe der UGKK aus der Ukraine tagten zu dieser Frage Anfang Februar in Lviv.

Prof. Nemeth ist Priester der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche, Professor für Theologie des christlichen Ostens an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und u.a. auch Mitglied der orthodox-katholischen Dialogkommission sowie Konsultor der Stiftung PRO ORIENTE. Er hat auch einen guten Einblick in die Einstellung der griechisch-katholischen Kirchenbasis. "In den sozialen Medien ist es natürlich jetzt ein Thema, dass man Feste und Namenstage um 13 Tage umstellen wird müssen. Daran muss man sich erst anpassen", so Nemeth wörtlich. Es sei aber vielleicht vergleichbar damit, "dass man mit der Handhabung einer neuen Windows-Version anfänglich nicht sehr glücklich ist, aber sich dann doch daran gewöhnt". Mit nennenswertem Widerstand rechne er kaum, dies ließe sich gerade jetzt im Hinblick auf Russland schwer argumentieren, und auch die Zeit der Kalenderkämpfe in der ukrainischen Diaspora sei vorbei.

Zur Frage, ob seiner Einschätzung nach demnächst auch die 2019 von Konstantinopel in die Autokephalie entlassene Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) in der Kalenderfrage nachziehen wird, antwortete der Experte zurückhaltend. Man müsse einmal abwarten, ob und wann die OKU in dieser Frage einen generellen Schritt setzen werde, die Möglichkeit des neuen Kalenders sei freilich auch jetzt schon gegeben. Der Heilige Synod der OKU hatte vor wenigen Tagen den Gemeinden und Klöstern die Abkehr vom bisherigen Julianischen Kalender erlaubt, wenn jeweils mindestens zwei Drittel der Mitglieder den Neujulianischen Kalender befürworten und erklärt, dass sich das nächste Bischofskonzil mit der Frage einer allgemeinen Reform befassen werde. Nemeth: "Es gibt dort wie überall in der Orthodoxie konservative Tendenzen, die gegen eine plötzliche Abschaffung des 'alten Kalenders' sprechen, umgekehrt kann sich die OKU auf die orthodoxe Mehrheit, das ökumenische Patriarchat und die Abgrenzung gegenüber der Russischen Orthodoxen Kirche berufen."

Die zweite große orthodoxe Jurisdiktion in der Ukraine ist die Ukrainisch Orthodoxe Kirche (UOK), die im Mai 2022 ihre – zumindest administrative – Loslösung vom Moskauer Patriarchat erklärt hat. Von dieser sei derzeit aber keine Kalenderänderung zu erwarten, so Nemeth.

Auf das Osterfest angesprochen, dass auch nach der Reform weiterhin nach dem Julianischen Kalender gefeiert wird, meinte Nemeth, dass die UGKK und die OKU sicher einmal abwarten wollten, ob der Papst und der Ökumenische Patriarch in den kommenden Jahren angesichts des bevorstehenden Jubiläums des Konzils von Nizäa (325) eine gemeinsame Lösung finden werden. Das mache für ihn auch Sinn, so Nemeth: "So kann man auch die Gemeinsamkeit mit der Orthodoxie innerhalb der Ukraine wahren, was pastoral vernünftig ist, und schauen, wie sich die Situation entwickelt."