Ukrainischer Kirchenkonflikt: Patriarch Bartholomaios betont Rechtmäßigkeit eigener Entscheidungen
12. September 2025
Patriarch von Konstantinopel gibt französischem TV-Sender ausführliches Interview und rechnet früher oder später mit Einheit der Orthodoxie in der Ukraine

Foto Screenshot France TV
Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. hat einmal mehr betont, dass er von der Rechtmäßigkeit der Gewährung der Autokephalie an die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) überzeugt ist. In einem ausführlichen Interview mit dem französischen Fernsehsender "France 2" (u.a. berichtete das Infoportal "OrthodoxTimes" darüber) zeigte sich der Patriarch auch zuversichtlich, dass es zu einer geeinten orthodoxen Kirche in der Ukraine kommen wird und diese dann auch von den anderen orthodoxen Kirchen anerkannt wird. "Das Ökumenische Patriarchat wird niemals von seiner Entscheidung abrücken oder die Gewährung der Autokephalie widerrufen", betonte der Patriarch.
Alle orthodoxen Christinnen und Christen in der Ukraine seien aufgefordert, "sich nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis des täglichen Lebens zu vereinen, um eine Ortskirche zu werden und von allen anderen orthodoxen Schwesterkirchen anerkannt zu werden". Das alles werde freilich nicht über Nacht geschehen. Man dürfe nicht vergessen, dass in der Geschichte der Orthodoxie auch die Autokephalie anderer Kirchen nicht sofort von allen anderen anerkannt wurde. "Wir dürfen nicht ungeduldig sein", so Patriarch Bartholomaios.
In der Ukraine gibt es neben der OKU die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK), die früher zum Moskauer Patriarchat gehörte. Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hatte Anfang 2019 die Autokephalie der OKU anerkannt. Die OKU wird bislang außer vom Ökumenischen Patriarchat auch von der Kirche von Griechenland, der Kirche von Zypern und dem Patriarchat von Alexandria anerkannt.
Mit der Unabhängigkeit der Ukraine habe auch ein Recht auf eine eigenständige orthodoxe Kirche bestanden, betonte Patriarch Bartholomaios im Interview. Es sei aber ein Fehler gewesen, dass die ukrainische Kirche zunächst vom Moskauer Patriarchat die Autokephalie erbeten habe. "Sie hätten sich an das Ökumenische Patriarchat wenden müssen", so Bartholomaios. Es sei das alleinige Recht des Ökumenischen Patriarchen, diese Unabhängigkeit zu gewähren - wie der Ökumenische Patriarch auch dem Moskauer Patriarchat im 16. Jahrhundert die Autokephalie gewährt habe.
Bartholomaios wies auch noch auf weitere Vorrechte Konstantinopels hin, auf die das Ökumenische Patriarchat niemals verzichten werde. Freilich gehe es dabei nicht um die Ausübung von Macht, sondern um einen Dienst für die anderen orthodoxen Kirchen. Weder seine Vorgänger noch er selbst hätten diese Vorrechte jemals missbraucht, hielt Bartholomaios fest.
Er sei stets um mehr innerorthodoxe Einheit und Einmütigkeit bemüht gewesen, führte Bartholomaios weiter aus. Deshalb habe er trotz der eigentlich klaren rechtlichen Grundlagen zugestimmt, dass die Frage der Gewährung der Auokephalie beim Panorthodoxen Konzil auf Kreta 2016 behandelt wird. Man sei im Vorfeld auch schon sehr weit bei den Überlegungen zu einem neuen Prozedere gekommen, dann musste das Thema wegen fehlender Zustimmung von Seiten der Russischen Kirche aber von der Tagesordnung genommen werden. Obwohl letztlich sogar vier orthodoxe Kirchen dem Konzil fernblieben, wollte Bartholomaios doch festhalten, dass es "erfolgreich durchgeführt" werden konnte.
Wie der Patriarch im Interview weiter betonte, sehe er zum Dialog mit den Kirchen und Religionen keine Alternative: "Diese Dialoge werden uns eines Tages zur Einheit führen. Bis dahin müssen Menschen, Kulturen und Glaubensrichtungen zum Wohle der Menschheit zusammenarbeiten." Er hob die bilateralen Dialoge mit der katholischen, lutherischen und anglikanischen Kirche hervor. Seit etwa 40 Jahren würden auch akademische Dialoge mit dem Judentum und dem Islam stattfinden.
Bartholomaios leitet seit 1991 das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel. Zur Frage, ob er es bereue, dieses "Kreuz" auf sich genommen zu haben, sagte der Patriarch: "Ich bereue es nicht. Der Thron von Konstantinopel - mit seiner Geschichte und seinem Zeugnis so vieler Jahrhunderte - darf nicht unbesetzt bleiben. Unsere Gemeinde in Konstantinopel ist klein, aber in der Diaspora ist sie viel größer, und alle blicken auf die Mutter Kirche, unser heiliges Zentrum, und suchen dort eine Stimme der Unterstützung, Ermutigung und des christlichen Zeugnisses. Und genau darum haben wir uns all die Jahre bemüht; mit Gottes Gnade."