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Wien: Ökumenisches Symposion beleuchtete Erfahrungen mit Synodalität

PRO ORIENTE-Vizepräsident Prokschi, GEKE-Generalsekretär Fischer und orthodoxer Theologe Moga brachten vielfältige synodale Grundlagen, aber auch aktuelle Herausforderungen mit Synodalität in ihren Kirchen ein

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Unter dem Titel "Synodalität als Herausforderung. Wie leitet der Heilige Geist die Kirche?" berichteten Dienstagabend in Wien Experten aus der Evangelischen, Orthodoxen und Katholischen Kirche über die jeweiligen Kirchenerfahrungen mit Synodalität. Das Kurzsymposion, zu dem u.a. die Wiener Diözesankommission für Ökumenische Fragen und die Stiftung PRO ORIENTE geladen hatte, wollte damit auch einen Beitrag zum Synodalen Prozess in der katholischen Kirche leisten, in den ausdrücklich auch die synodalen Erfahrungen der Schwesterkirchen miteingebracht werden sollen.

Der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) und PRO ORIENTE-Vizepräsident Rudolf Prokschi, ging in seinen Ausführungen u.a. auf das Zweite Vatikanische Konzil ein. Um viele Dokumente sei lange gerungen worden. Fast fertige Dokumente wurden dann nochmals gründlich überarbeitet, um eine möglichst breite Zustimmung zu erhalten. Wenn es dann etwa beim Ökumenismusdekret (1964) 2.139 Ja-Stimmen und nur 11 Nein-Stimmen gab, oder bei der Liturgiekonstitution (1963) 2.158 Ja-Stimmen und nur 19 Nein-Stimmen, dann könne man durchaus vom Wirken des Heiligen Geistes sprechen.

Der Wiener Ostkirchenexperte, er ist u.a. auch Vizepräsident der Stiftung PRO ORIENTE, erinnerte auch an das revolutionäre Landeskonzil der Russisch-orthodoxen Kirche im Jahr 1917. Die Delegierten hätten damals zu einem Gutteil aus Laien bestanden, es habe Vorlagen bzw. Diskussionen über Frauen als Diakoninnen, Laienpredigten oder die Einführung der Landessprache im Gottesdienst gegeben. Damit sei das Konzil seiner Zeit weit voraus gewesen, und leider sei es dann auch der russischen Oktoberrevolution zum Opfer gefallen.

Spannung zwischen Institution und Charisma

Der Wiener orthodoxe Theologe Prof. Moga betonte in seinen Ausführungen, dass Synodalität ein Wesensmerkmal der Orthodoxen Kirche sei. Die Orthodoxie habe das synodale Selbstverständnis der Alten Kirche lebendig bewahrt. Im orthodoxen Bewusstsein sei besonders das Apostelkonzil bis heute maßgeblich, wo es im Beschluss der Versammlung heißt: "Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen..." Der verstorbene Wiener Metropolit Michail Staikos habe dies die "vertikale, die pneumatologische Dimension der Synodalität" genannt, "die die demokratischen Formen der Verwaltung der Kirchen ergänzt", so Moga.

Die aktuellen Schwächen der Synodalität auf panorthodoxer Ebene dürften die Tatsache nicht verdecken, dass auf der Ebene der autokephalen Kirchen die "Bischofssynodalität die klar geregelte, institutionalisierte Form der Leitung der Kirche ist". Sie sei kein Wunschdenken, "sondern Verfassung der Kirche - bis ins letzte Detail des jeweiligen Kirchenstatuts einer jeden autokephalen orthodoxen Kirche durchdekliniert".

Freilich: Der Heilige Geist wirke nicht nur in Synoden, und auch nicht in jeder Synode. Bischöflich-synodale Institution einerseits und personales Charisma andererseits seien die zwei Pole, in der die leitende Wirkung des Heiligen Geistes in der Kirche manifestiert werde, so Moga: Beides - Institution und Charisma - seien für das Leben der Kirche wesentlich bedeutend, zugleich aber auch nicht verwechselbar. Weder institutionalisierte Synodalität allein, noch Einzelberufungen und Charismen seien per se Garantien für das Wirken des Heiligen Geistes, fasste der Theologe zusammen: "Diese Unverfügbarkeit des Heiligen Geistes ist schwer zu ertragen, tut aber gut, denn es soll auf die Christozentrik unseres Zeugnisses, auf das Wesentliche des christlichen Glaubens hinweisen." Und: "Überall dort, wo es sich um Machtpolitik handelt, ist der Heilige Geist wohl nicht zu finden." Die Kirche müsse in der Welt "fragil und zärtlich bleiben, damit der Heilige Geist darin noch Platz hat". Als weitere Eckpfeiler der Orthodoxen Kirche bzw. Wirkungsorte des Heiligen Geistes benannte Moga Tradition, Rezeption und Liturgie.

Kritisch merkte der Theologe an, dass sich in der Österreich-Synthese zum Synodalen Prozess der Katholischen Kirche, die im August von den Bischöfen nach Rom geschickt wurde, zu den Erfahrungen der Schwesterkirchen mit Synodalität eigentlich nichts finde. Und das, obwohl etwa an den vorsynodalen Beratungen im Juni in Mariazell auch Vertreter der Orthodoxie und Evangelischen Kirche - allen voran Metropolit Arsenios (Kardamakis) und Bischof Michael Chalupka, teilgenommen hatten.

"Lehrende und hörende Gemeinde"

In der Evangelischen Kirche werde "Kirchenleitung von der lehrenden und hörenden Gemeinde gleichermaßen ausgeübt", brachte Mario Fischer, Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), Synodalität für seine Kirchen auf den Punkt. Wobei der Anspruch, dass Ordinierte und Laien gemeinsam beraten und entscheiden, in der Geschichte der Kirchen der reformatorischen Tradition auch nicht immer und überall durchgehalten worden sei. Zur GEKE gehören rund 100 protestantische Mitgliedskirchen aus 30 europäischen und einigen lateinamerikanischen Staaten.

Eine evangelische Synode sei stets "Ausdruck einer Kirche von gerechtfertigten Sündern" und dürfe kein Austragungsort von Machtkämpfen sein, so Fischer weiter. Er benannte einige aktuelle Herausforderungen für evangelische Synoden. Dies betreffe etwa die Zusammensetzung und das Verhältnis von Gewählten und Mitgliedern qua Amt oder auch das Verhältnis von hauptamtlichen Kirchenmitgliedern und Ehrenamtlichen. Wenn vor allem die Interessen der eigenen Gruppe vertreten würden, sei dies nicht der Sinn von Synoden. Manche Bevölkerungsgruppen, etwa Facharbeiter, Landwirte oder Migranten bzw. Ausländer, seien so gut wie gar nicht vertreten. Letzteres habe auch mit der zunehmenden Mobilität der Gesellschaft zu tun, die sich in den Synoden noch nicht entsprechend abbilde.

"Eine Synode beschließt nicht die Wahrheit, sondern sie bezeugt die Wahrheit", so der GEKE-Generalsekretär weiter. Knappe Mehrheitsentscheidungen, die in politischen Prozessen durchaus üblich und auch legitim seien, sollten tunlichst vermieden werden. Anzustreben sei eine "größtmögliche Einmütigkeit". In manchen Synoden gebe es für bestimmte Themen auch eine vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit, manchmal sogar noch mehr. Oft brauche es einen längeren Prozess, bis zu gewissen Fragen in Synoden diese Einmütigkeit gefunden werde. Ein solcher Prozess sei aber wesentlich für evangelische Synoden, betonte Fischer.

Veranstalter des Kurz-Symposions waren die Diözesankommission für Ökumenische Fragen der Erzdiözese Wien, die Stiftung PRO ORIENTE, die Initiative Christlicher Orient (ICO) und der Ökumene-Ausschuss des Vikariates Wien-Stadt der Erzdiözese Wien.