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Winkler: Nicäa-Treffen wird "starkes Symbol für die Einheit von Ost- und Westkirche"

26. November 2025

Salzburger Theologe Winkler zu Erwartungen an Türkei- und Libanonbesuch des Papstes - Reise im Zeichen von Ökumene und mit starker diplomatischer, interreligiöser Dimension

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Salzburg, 26.11.2025 (poi) Hohe Erwartungen an die Reise von Papst Leo XIV. in die Türkei und den Libanon und speziell an die Begegnung des Papstes mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios hegt der Salzburger Ostkirchen-Experte Prof. Dietmar W. Winkler. Die Begegnung, die im Zeichen des Gedenkens an den 1.700. Jahrestag des Konzils von Nicäa steht, sei ein "starkes Symbol für die Einheit der Ost- und Westkirche", so Winkler. Auch angesichts der teils "oszillierenden" Politik von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegenüber den Christinnen und Christen im Land könne die Reise des Papstes in die Region sowohl kirchlich als auch diplomatisch wichtige Akzente setzen. 

Die gesamte Amtszeit Erdogans sei von einem "Hin und Her" geprägt, so Winkler weiter: "Wenn man die ganze Amtsperiode von Erdogan betrachtet, hat er überhaupt keine einheitliche Vorgehensweise in Bezug auf die Christen." Phasen positiver Signale - etwa vor einiger Zeit gegenüber Armeniern - würden von politischen Akzenten abgelöst, die "ganz stark Richtung Islam" gingen, um Erdogans Machtbasis zu stärken. 

Weiteres Beispiel: Der Staatspräsident habe den Bau der neuen syrisch-orthodoxen Kirche St. Ephrem in Istanbul ermöglicht, die auch Papst Leo besuchen wird. "Das ist eigentlich eine erstaunliche Angelegenheit." Gleichzeitig lasse Erdogan die gesetzlichen Grundlagen, die christlichen Gemeinden die Neuwidmung bestimmter Areale verwehren, unverändert. "Die alte osmanische Regel, dass man ein neues Gebiet nicht für Christen widmen kann, hat er nicht geändert", erinnerte Winkler. 

Die Papstreise sei daher "sehr, sehr wichtig", um die christlichen Gemeinschaften sichtbar zu stärken. Vor diesem Hintergrund habe auch das Treffen des Papstes mit Erdogan besondere Bedeutung, "und immerhin hat der Heilige Stuhl mit der Türkei schon ganz lange diplomatische Beziehungen". 

Papst nicht in der Hagia Sophia 

Winkler machte zudem darauf aufmerksam, dass Papst Leo anders als seine Vorgänger die Hagia Sophia in Istanbul nicht besuchen wird. Mit der erneuten Umwidmung in eine Moschee im Jahr 2020 habe sich die Lage verändert. Leo XIV. gehe stattdessen nur in die benachbarte Blaue Moschee. Winkler: "Ich sehe das so, dass er mit dem Besuch der Sultan-Ahmed-Moschee einerseits ein wichtiges Zeichen des interreligiösen Respekts gegenüber dem Islam darlegen möchte. Auf der anderen Seite will er genau nicht in die Hagia Sophia hineingehen, weil sie keine Kirche mehr ist." 

Den Dialog mit der orthodoxen Kirche und die Begegnungen des Papstes mit Patriarch Bartholomaios als "zentralem Partner" im ökumenischen Dialog zählen für den Experten, der seit vielen Jahren auch Berater in der Ökumene-Behörde des Vatikans ist, zu den wichtigsten Elementen der Türkei-Visite. Die gemeinsame Botschaft von Papst und Patriarch werde "ein starkes Zeichen für ökumenische Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit" und für den Frieden sein. 

Papst Leo XIV. habe von Beginn seines Pontifikats an Frieden, Gerechtigkeit und Dialog betont; damit treffe er sich "sehr gut" mit Bartholomaios. Die Reise Leos XIV. stärke aber auch die armenische und syrisch-orthodoxe Gemeinschaft in der Türkei. Diese sind mit ungefähr 20.000 bis 30.000 Syrisch-Orthodoxen in Istanbul und 50.000 bis 60.000 Armeniern im Land zahlenmäßig bedeutender als die Griechisch-Orthodoxen, die mittlerweile auf rund 2.000 geschrumpft sind. 

"Letztendlich ist es auch eine Pilgerfahrt"

Zum Libanon-Besuch von 30. November bis 2. Dezember verwies Winkler auf das große Spektrum an christlichen Konfessionen in dem Land. Das politische System mit seinen konfessionellen Rollen - maronitischer Präsident, schiitischer Parlamentspräsident, sunnitischer Regierungschef - bilde weiterhin einen wichtigen Rahmen. Papst Leo XIV. werde alle drei Spitzenvertreter treffen. Der Libanon sei "ein zentraler Ort für den interkonfessionellen Dialog" und "nach wie vor ein Zeichen innerhalb des Nahen Ostens für die Möglichkeit des Zusammenlebens von Konfessionen und Religionen, das gestärkt gehört", betonte Winkler. 

Benedikt XVI., der als bisher letzter Papst 2012 den Libanon besucht hat, präsentierte damals vor Ort sein Schreiben "Ecclesia in Medio Oriente" im Nachgang zur Nahost-Synode der katholischen Kirche von 2010. "Ich glaube, es ist notwendig, an diese Nahost-Synode und an diese Apostolische Exhortation anzuknüpfen, damit dort der Rezeptionsprozess auch weitergeht und dadurch auch die Verbindung zur Ökumene und zum interreligiösen Dialog wiederhergestellt wird", erklärte der Theologieprofessor.

In der anhaltenden wirtschaftlichen und politischen Krise des Landes erwartet Winkler vom Papst deutliches Ermutigungspotenzial: eine "Botschaft des Friedens, der Stabilität und der Hoffnung". Programmpunkte der Papstreise wie das stille Gebet im Hafen von Beirut, das Jugendtreffen in Bkerke sowie der Besuch am Grab des heiligen Charbel hätten dabei besondere Bedeutung. Besonders wichtig sei die Begegnung mit der Jugend, "denn die Jugend ist nicht nur die Zukunft, sondern auch die aktive Gegenwart, die das Land stabilisieren und aufbauen kann". Der Besuch im Libanon sei nicht nur politisch oder im ökumenischen und interreligiösen Dialog motiviert; "letztendlich ist es auch eine Pilgerfahrt", die Glauben und Zuversicht für die Bevölkerung stärken solle, erinnerte der Experte.